Süddeutsche Zeitung

Niedersachsen:Tausende Spritzen sollen Kochsalzlösung statt Impfstoff enthalten haben

Der Vorfall, der sich in einem Impfzentrum in Friesland zugetragen hat, wurde bereits im April bekannt. Doch damals ging es dem Anschein nach nur um eine versehentlich zerstörte Ampulle. Jetzt wird klar: Die Dimension könnte viel größer sein.

In Niedersachsen ist womöglich Tausenden Menschen statt eines wirksamen Impfstoffes Kochsalzlösung gespritzt worden. Eine Krankenschwester, die mit der Vorbereitung der Impfungen betraut war, soll in einem Impfzentrum bei Schortens im Landkreis Friesland im Zeitraum von 5. März bis 20. April statt der gewünschten Impfstoffe von Biontech, Moderna und Astra Zeneca dafür gesorgt haben, dass eine wirkungslose Lösung verabreicht wurde.

Nach den bisherigen Ermittlungen sind knapp 10 000 Impfungen und etwa 8500 Menschen betroffen, darunter zahlreiche Personen, die mehr als 70 Jahre alt sind. Die Zahl der Fälle kann sich aber noch erhöhen. Die möglicherweise fehlenden Impfungen sollen nun schnellstmöglich nachgeholt werden. "Wir müssen den Schaden von diesen Menschen abwenden, auch wenn wir nicht wissen, wie viele Menschen wirklich betroffen sind", sagte Frieslands Landrat Sven Ambrosy (SPD) bei einer Pressekonferenz in Jever.

Die Angelegenheit war bereits Ende April bekannt geworden, damals ging es jedoch um eine viel kleinere Dimension: Die Krankenschwester soll eingeräumt haben, sechs Spritzen statt mit Biontech-Impfstoff mit Kochsalzlösung gefüllt zu haben. Ihr sei zuvor beim Anmischen ein Fläschchen mit dem Vakzin heruntergefallen, was sie anschließend vertuschen wollte. Danach wurde der Impfschutz von mehr als 100 Menschen, die an diesem Tag geimpft wurden, zunächst mit Antikörpertests überprüft. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln seitdem in dem Fall.

Wie der stellvertretende Leiter der Polizeiinspektion Wilhelmshaven/Friesland, Peter Beer, bei der Pressekonferenz sagte, habe es bei Zeugenvernehmungen von Mitte bis Ende Juni konkrete Hinweise auf weitere Fälle gegeben.

Das Motiv für die möglicherweise manipulierten Impfungen ist unklar. Beer bestätigte aber Medienberichte, denen zufolge die Beschuldigte vor den Vorfällen in einem sozialen Netzwerk Beiträge teilte, in denen Corona-Maßnahmen der Regierung kritisiert wurden, und über einen Chat "corona-kritische Informationen" verteilt habe, wie Polizeivertreter Beer sich ausdrückte.

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