Süddeutsche Zeitung

Schröders Büroleiterin:"Mach das ma, Sigrid"

Von Sigrid Krampitz heißt es, dass Gerhard Schröder ihr während seiner Amtszeit absolut vertraute - und ohne sie nicht funktioniert hätte. Nun geht die einstige Büroleiterin des Altkanzlers in Pension.

Von Kurt Kister

Es gibt diese Menschen, die eine Firma, ein Büro oder auch die Politik am Laufen halten, und von denen draußen kaum jemand weiß, dass es drinnen nicht funktionieren würde, wären da nicht Frau X oder Herr Y. Das besondere Kennzeichen solcher Menschen ist: Sie machen kein Aufhebens um sich. Sie sind diskret, effizient, loyal - alles, was die, die viel Aufhebens um sich machen, oft nicht sind.

Am 31. Oktober geht nun eine dieser bekannteren Unbekannten in Pension: Sigrid Krampitz, deren Schicksal es war, ein gutes Vierteljahrhundert Büroleiterin von Gerhard Schröder zu sein. Erst war sie es in Hannover beim Ministerpräsidenten Schröder, dann von 1998 bis 2005 beim Bundeskanzler und schließlich bis Oktober 2019 beim Alt-Bundeskanzler. (Ein Alt-Bundeskanzler hat Anspruch auf ein Büro und zwei oder drei Mitarbeiter, auch wenn er viel Geld mit Pipelines und Redenhalten verdient.) Manche Menschen sagen, Schröder hätte ohne Krampitz und seinen damaligen Amtschef Frank-Walter Steinmeier nicht funktioniert. Wenn Schröder spätabends mal gut drauf war, sagte er das auch.

Eigentlich wollte sie Lehrerin werden

Sigrid Krampitz stammt, wie Schröder und Steinmeier, der Beamte, den die Zeitläufte ins Amt des Bundespräsidenten brachten, politisch aus Niedersachsen. Die Eltern waren sogenannte kleine Leute. Die Mutter Hausfrau, der Vater arbeitete auf dem Bau. Da gibt es Parallelen zum Chef, nur dass Schröders Vater im Krieg starb, bevor sein Sohn ihn hätte kennenlernen können. Wie Schröder machte Krampitz das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg. Eigentlich hätte sie Lehrerin werden wollen. Sie wurde dann aber nicht in den Schuldienst übernommen und landete nach ein paar anderen Stationen im öffentlichen Dienst in Hannover in Schröders Staatskanzlei.

In den Jahren von Schröders Kanzlerschaft war Krampitz immer und überall sichtbar unsichtbar dabei. Sie machte viele seiner Reisen mit, und sie trug gern blaue oder graue Blazer, flache Schuhe und Marlboros, jedenfalls in der Zeit als noch mehr Leute rauchten. Wer auch rauchte, war bei Krampitz immer gut aufgehoben, selbst im Weißen Haus brachte man ihr einen Aschenbecher.

Sie hielt von Schröder Besucher fern, die er nicht mochte, und organisierte Dinge ("mach das ma, Sigrid"), die er brauchte. Aber sie war auch Teil jenes kleinen Teams, in dem entscheidende Reden entstanden, wie etwa die Agenda-Rede im März 2003. Eine Büroleiterin hat sieben Jobs in einem, und manchmal ist es schwer zu beschreiben, welcher davon gerade überwiegt. Schröder hatte viele sogenannte Freunde, und viele davon wogen auf der Waage, mit der man Vertraute wiegt, ungefähr 17 Gramm das Dutzend. Die einzigen zwei, denen Schröder wirklich vertraute, waren Krampitz und Steinmeier. In einem Kanzleramt, in dem sich gelegentlich schon Abteilungsleiter für Hilfskanzler hielten - das war nicht nur bei Schröder so - , ist so ein Vertrauensverhältnis politisch überlebenswichtig. Auch deswegen entstand in jenen Zeiten manchmal der Eindruck, dass ein Trio aus Hannover die Welt regiert.

Kein Zweifel, Gerhard Schröder ist ein alter Macho. Er war schon ein alter Macho, als er noch jung war. Es gibt Menschen, für die sind alte Machos fast so schlimm wie SUVs, Kreuzfahrten oder Nicht-sensibel-Sprecher. Und dann gibt es Menschen, unter ihnen nicht wenige Frauen, die kommen mit alten Machos trefflich zurecht, weil es nämlich viele Dinge gibt, die alte Machos allein nicht können. Sie haben zwar den Willen zur Macht, können aber, wenn sie denn mal nahe oder an der Macht sind, die Ausübung der Macht nicht so toll organisieren. (Merkel übrigens, die kein Macho wäre, wäre sie ein Mann, kann das besser.) Alte Machos glauben meistens, sie könnten schon organisieren, wenn sie nur wollten. Organisieren aber fällt für alte Machos unter Gedöns, um das sich andere kümmern sollen. Sigrid Krampitz zum Beispiel.

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SZ vom 30.10.2019/cat
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