Koydls kleines Lexikon:Traumjobs, Persil und Texaner

Warum ein Job der Spucke im Rinnstein nahekommt, Texaner Freunde sind und die Franzosen etwas gegen ein deutsches Waschmittel hatten.

Wolfgang Koydl

Wörter können mitunter dasselbe Schicksal erleiden wie Menschen: Manche beginnen ihre Existenz als hochnoble Begriffe, nur um im Laufe der Zeit in der sprachlichen Gosse zu landen. Andere hingegen nehmen den entgegengesetzten Weg: Sie entwickeln sich gleichsam vom Tellerwäscher zum Millionär.

Henkel; AP

Persil: rechts des Rheins beliebtes Waschmittel, links davon ein gesundes Gartenkraut.

(Foto: Foto: AP)

Der neudeutsche Job, von dem die beiden deutschen Großkonzerne BMW und Henkel gleich mehrere tausend einsparen wollen, gehört zu dieser zweiten Kategorie, ebenso wie die treudeutsche Arbeit. Es ist noch nicht lange her, da war ein Job weder im Englischen noch im Deutschen ein Synonym für eine feste Stelle, sondern nur für eine Gelegenheitsarbeit, oft sogar unnötigerweise verdoppelt als Gelegenheitsjob. Das war auch in England so, als im Jahre 1557 zum ersten Mal ein jobbe of work schriftlich erwähnt wurde - wörtlich: ein Stückchen Arbeit. Verwandt war dieser jobbe mit dem Wort gobbe - einem Klumpen von etwa einem Mundvoll Umfang. Da lag es nahe, dass man einen dicken Speichelbatzen, den jemand ausspuckte, als einen gob of spit bezeichnete - und übrigens immer noch bezeichnet. Man muss schon sagen: Von der Spucke, die im Rinnstein landet, zum Traum-Job, den einer gelandet hat, war es ein atemberaubender Aufstieg.

Eine der Firmen, die Jobkürzungen ankündigte, ist der Waschmittelkonzern Henkel. Er trägt den Namen seines Gründers Fritz Henkel, der im europäischen Revolutionsjahr 1848 geboren wurde und 28 Jahre später "Henkel & Cie" in Aachen aus der Taufe hob. Der Durchbruch kam 1907 mit dem ersten "selbsttätigen Waschmittel": Persil. Selbsttätig bedeutete, dass die Wäsche nicht mehr mit Bürsten geschrubbt werden musste, sondern dass das Pulver diese Arbeit übernahm. Darauf wies, wenn auch leicht verschlüsselt, der Name hin. Persil setzt sich zusammen aus den ersten Silben von Perborat (dem Bleichmittel) und Silikat (dem Schmutzlöser). Allerdings musste Henkel zehn Jahre warten, bevor er - mitten im Ersten Weltkrieg - den Namen als Warenzeichen eintragen lassen konnte. Zuvor hatten die Franzosen protestiert, die Verwechslungen befürchteten. Auf Französisch ist le persil die Petersilie.

Eine ähnlich steile Karriere wie der Job hat auch die Arbeit hinter sich. Am Anfang stand ein seit langem ausgestorbenes germanisches Verb mit der Bedeutung "verwaist sein", oder noch präziser - und beklemmender - "ein zu schwerer körperlicher Arbeit verdingtes Kind sein". Das war ein Schicksal, das Waisen seinerzeit oft ereilte. Wurzel dieses Wortes ist der indogermanische Stamm orbhos = verwaist, dem wir unter anderem unser Erbe verdanken. Wegen seiner grässlichen Herkunft bedeutete Arbeit im deutschen Sprachgebrauch daher jahrhundertelang nur schlimmste und erniedrigendste Plackerei. Wer arbeitete, der hatte die schlechteste Karte gezogen. Erst Martin Luther verbesserte das miese Image mit seiner Bibelübersetzung, als er den sittlichen Wert der Arbeit hervorhob. Zuweilen freilich ist es fraglich, ob er sich wirklich mit dieser Sichtweise durchgesetzt hat - beispielsweise an manchen Freitagabenden oder mehr noch montags morgens.

Die Wähler in Hessen und in Hamburg haben den Parteien kniffelige Koalitionspuzzles vorgelegt. Nur eines ist in allen denkbaren Kombinationen sicher: Entweder Rot oder Schwarz wird im Endeffekt in den Regierungen vertreten sein. (Grün hatten wir ja schon am 20.9.2007 abgehandelt). Beides sind nicht nur kräftige Farben, die sofort ins Auge springen, sie reichen auch weit in die Urzeit unserer Sprache zurück. Rot ist die einzige Farbe, die in allen indoeuropäischen Sprachen auf dieselbe Wurzel zurückgeht: reudh. Anfangs hatte das Wort freilich eine gruselige Doppelbedeutung. Denn es beschrieb auch jenen Stoff, der den Menschen bei rot als Erstes einfiel: Blut.

Schwarz war lange Zeit gar nicht wirklich schwarz, sondern bestenfalls sehr dunkel. Dies wenigstens war die ursprüngliche Bedeutung. Das Wort geht zurück auf eine Reihe von Wörtern, die allesamt mit dem lateinischen Verb sordere verwandt sind. Dies aber bedeutete, und die politischen Schwarzen wird es wenig freuen, soviel wie schmutzig sein oder beschmutzen.

In Hamburg wurde nicht die Zusammensetzung eines Landtages, sondern eines Rathauses bestimmt - und die vermeintlich unscheinbaren drei Buchstaben von Rat würden beinahe ein eigenes Buch verdienen. Ganz offenkundig leitet es sich vom Verb raten ab, das freilich selbst mehrere Bedeutungen hat. Schon in seiner Urform konnte es alles Mögliche bedeuten - von überlegen, ersinnen über Vorsorge treffen (woraus der Vorrat und der Hausrat, aber auch der Unrat entstanden), bis hin zu vorschlagen, empfehlen und erraten oder deuten. Die letzte Bedeutung gab uns das Substantiv Rätsel und dem Englischen das Verb to read = lesen. Denn die ersten germanischen Leser zogen kein Paperback aus dem Bärenfell hervor, sondern deuteten Runen, aus denen sie die Zukunft zu erraten suchten.

Ähnlich vielfältig verhält sich der Rat, der sein Leben schlicht als die für den Lebensunterhalt benötigten Mittel begann. Unsere Geräte sind ein fernes Echo dieser Zeit und dieser Auslegung. Später kam die Bedeutung von Beschaffung oder Fürsorge hinzu, woraus unter anderem die Heirat entstand, die ursprünglich nur eine Hausbesorgung war. Noch ein wenig später war der Rat bei unserer heutigen Bedeutung angelangt - dem gut gemeinten Vorschlag. Und eine Gruppe von Menschen, die in einer Stadt oder einer Gemeinde ständig gutgemeinte Vorschläge austauschte, war denn eben einfach der Rat.

Traumjobs, Persil und Texaner

Bei den Präsidentschaftsvorwahlen der Demokraten in den USA geht es für Hillary Clinton in den Bundesstaaten Texas und Ohio um alles oder nichts. Sie kann nur hoffen, dass der Lone Star State im Süden seinem Namen Ehre macht. Die Ureinwohner der Caddo, die große Teile von Texas und anliegender Staaten besiedelten, bezeichneten einander und ihre Verbündeten als taysha = Freunde, um sie von ihren Gegnern zu unterscheiden. Die Spanier übernahmen das Wort als texa = der Freund, mit dem Plural texas - und den Anglos gefiel der Name so gut, dass sie ihn zusammen mit dem Territorium übernahmen.

Hamburger Rathaus; AP

Im Hamburger Rathaus beraten sich Ratgebende.

(Foto: Foto: AP)

Ohio nimmt sich im Vergleich dazu recht banal aus. Die hier lebenden Seneca sprachen von einem "großen Flussarm", wenn sie den heutigen Ohio River meinten - in ihrer Sprache eben ohio. Da dies vielen später denn doch als zu schlicht erschien, machte die Bedeutung "wunderschöner Fluss" die Runde. Inzwischen weiß man freilich, dass dies auf eine Fehlübersetzung früher französischer Forscher zurückgeht.

Zuletzt noch ein Wort zum Namen der Kosovo-Hauptstadt Prishtinë - wie sie korrekt auf Albanisch geschrieben ist. Ich hatte mir letzte Woche die Zähne daran ausgebissen, doch SZ-Online-Leser Ardian Duka kam zur Hilfe: Wie er erklärte, lag an derselben Stelle wie das heutige Pristina einst die blühende römische Provinzmetropole Ulpiana. Sie wurde jedoch mehrmals bis auf den Grund zerstört, eine Tatsache, der die albanischen Siedler gedachten, als sie hier ihre Stadt gründeten und tauften. Prisht ist albanisch für zerstört, und die Endung -inë (mit einem Trema, einem Doppelpunkt über dem e), bezeichnet einen Ort. Prishtinë ist mithin ein zerstörter Ort. Besten Dank an Ardian Duka. Und wie gesagt: Für Anregungen, Kritik und Fragen ist diese Kolumne immer offen.

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