Konklave im Vatikan:Kirche sucht den Superpapst

Diplomat und Prophet, Seelsorger und Theologe, Reformer und Charismatiker soll der neue Papst sein. Doch wer kann die katholische Kirche mit ihren inneren Konflikten führen? Die Kardinäle täten gut daran, sich bei der Wahl nicht vom Unfehlbarkeitsanspruch leiten zu lassen.

Ein Kommentar von Matthias Drobinski, Rom

Auf diesen Felsen also soll der Herr seine Kirche gebaut haben? Petrus war ein großmäuliger Kleingläubiger. Als Jesus im Sturm über den See Genezareth lief und ihm zurief: komm! - da stieg er aus dem Boot, doch die Furcht überkam ihn, und der Apostelfürst ging baden.

Petrus war ein Feigling: Als Jesus gekreuzigt werden sollte, und eine Magd den Petrus im Hof des Gerichts stehen sah und ihn fragte: "Bist du nicht auch einer von diesen?" - da leugnete er und sagte: "Ich kenne diesen Menschen nicht." Und in der ersten Beschneidungsdebatte der Christenheit lag er gründlich daneben: Hätte nicht Paulus, sondern er sich durchgesetzt, und hätten sich nur Männer ohne Vorhaut taufen lassen können - die Jesusanhänger wären eine jüdische Sekte geblieben.

Wie fern dieser Petrus doch den kirchlichen und weltlichen Unfehlbarkeitserwartungen ist, die schon jetzt an den Mann gestellt werden, der da in dieser Woche zum Papst gewählt werden soll! Fromm soll er sein, klar - ein Brückenbauer zwischen Gott und den Menschen eben. Aber dann auch ein durchsetzungsstarker Sanierer der mehltaubefallenen Kurie.

Der Papst soll Diplomat sein auf dem Parkett der Weltpolitik und Prophet der Gerechtigkeit, ein menschennaher Seelsorger genauso wie ein gelehrter Theologe. Er soll endlich Kirchenreformen verkünden und alles Vertraute beim Alten lassen, als Charismatiker begeistern und den Modernisierungsängstlichen Geländer fürs Leben bauen. Gesucht wird der Superpapst.

Den gibt es nicht, weil es ihn nicht geben kann, weil das Petrusamt nach mehr als hundert Jahren Zentralisierung und Letztentscheidungsanspruch in der Falle der strukturellen Überforderung sitzt. Es kann ihn nicht geben, weil dieses Amt keine Hülle mehr sein kann, kein prächtiges Gewand, das strahlt, egal, wer es überzieht. Es muss ausgefüllt werden mit einer Persönlichkeit, die alle diese Ansprüche glaubwürdig werden lässt, die das Papstamt stellt. Johannes Paul II. hat als strahlender Medienpapst die Brüche überspielen können; Benedikt XVI. hat eher darunter gelitten, dass die Hülle des Amtes ihn nicht mehr schützte.

Unter den Kandidaten dürfte wohl keiner das Format zum Superpapst haben. Es gibt erfahrene Verwalter, denen man zutraut, die Kurie zu modernisieren, doch ihnen fehlt das Charisma. Es gibt andersherum Sympathieträger, die als nur mäßige Manager gelten, hochgebildete, aber scheue Gelehrte, volksnahe, aber eher schlichte Seelsorger.

Eine Ära ist zu Ende, wer kommt jetzt?

Viele Kardinäle sind verunsichert in diesen Tagen vor der Wahl. Fast 35 Jahre lang haben Johannes Paul II. und Benedikt XVI. die katholische Kirche geprägt, sie nach außen hin zu einem Faktor der Weltpolitik und der weltweiten ethischen wie geistigen Auseinandersetzungen gemacht, sie nach innen aber deutlich konservativer und stärker zentralisiert. Inzwischen drohen die inneren Konflikte die Glaubwürdigkeit der Kirche nach außen zu erschüttern. Eine Ära ist zu Ende, wer kommt jetzt? Wer kann diese Kirche führen, in der so vieles unverbunden, widersprüchlich gleichzeitig ungleichzeitig nebeneinandersteht?

Den Kardinälen könnte Petrus helfen, der wackelige Fels. Er kannte seine Fehlbarkeit, er hat bitter seine Feigheit beweint und seine Sünden bereut. Er war lern- und teamfähig und hat den Paulus nicht der Inquisition übergeben, sondern sich überstimmen und überzeugen lassen. Und er hat Luft geholt und sich seiner Aufgabe gestellt, hat den Kopf hingehalten für die junge Gemeinde.

Der fehlbare Petrus kann der Kirche den Weg zeigen: Keiner muss alles können, der Papst muss kein Übermensch sein. Er kann Macht teilen und abgeben, er muss nicht alles kontrollieren und maßregeln. Er kann gerade durch die Selbstbegrenzung und die Konzentration auf das Wesentliche wirken. Er sollte für die weltweite Einheit, Hoffnung und Verantwortung der Katholiken stehen, nicht für eine Ein-Mann-Show in Weiß.

Der Rücktritt von Papst Benedikt XVI. hat das einfacher gemacht. Er hat das Amt ja nicht seiner spirituellen Dimension beraubt, Benedikt ist ja nicht aus politischem Frust zurückgetreten, sondern aus der Erkenntnis heraus, dass nun sein Weg als Papst zu Ende ist. Er hat das Amt dadurch menschlicher gemacht und es von der Pflicht zur Selbstüberforderung befreit. Der Papst nach ihm wird nicht mehr auf gleiche Weise Papst sein können wie er. Die Kardinäle, hinter denen sich an diesem Dienstag die Türen der Sixtinischen Kapelle schließen, könnte das frei machen. Sie müssen nicht auf Nummer sicher gehen, das Altbekannte fortsetzen. Sie können was riskieren. Und der neu gewählte Papst dann auch.

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