Komplize von Klatten-Erpresser verurteilt:Ernano Barretta und die Signora BMW

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Er war schon so ziemilch alles: Schweißer, Autoverkäufer, Hotelbesitzer. Die Erpressung der Milliardärin Susanne Klatten hatte der Italiener Ernano Barretta von langer Hand geplant - jetzt muss er ins Gefängnis.

Andrea Bachstein, Pescara

Kein Freudenruf, kein Entsetzenslaut, still sind sie erstmal, als der Vorsitzende Richter in Saal 1 des Gerichts von Pescara das Urteil gesprochen hat, das Anlass für beides sein könnte. Der Hauptangeklagte, Ernano Barretta, geht sehr schnell aus dem Saal, als brauche er unbedingt Luft. Für seine Frau, seine beiden Kinder und drei weitere Angeklagte ist es vorläufig gut gegangen. Für ihn selbst nicht. Das Gericht hält ihn für den Komplizen von Helg Sgarbi: den Schweizer Gigolo und Erpresser von Susanne Klatten, geborene Quandt, in der italienischen Presse Signora BMW genannt. Siebeneinhalb Jahre wegen schweren Betrugs erhält Barretta, der sich für unschuldig erklärt, am Dienstagabend.

Er war der Hintermann: Ernano Barretta. Der Italiener plante die Erpressung der deutschen Milliardärin Susanne Klatten und muss dafür nun siebeneinhalb Jahre ins Gefängnis. (Foto: dpa)

Der Fall hatte alle Zutaten eines Krimis: Sex, Geld, sehr viel Geld, Liebe vielleicht und, angeblich, einen Sektenguru. Die so öffentlichkeitsscheue Münchner BMW-Großaktionärin und Milliardärin Susanne Klatten hat er in peinlichste Schlagzeilen gebracht. Sie war in Sgarbis Verführerfalle gegangen, nicht als einzige.

Sgarbi, der mit Intelligenz, acht Sprachen und Gewandtheit brillierte, sich auch als Geheimdienstmitarbeiter präsentierte, hatte sich verlegt auf reiche, nicht mehr ganz junge Frauen. Klatten erzählte er, wegen eines Autounfalls in den USA brauche er eine große Kautionssumme. Sie gab ihm sieben Millionen Euro, er sollte sie zurückzahlen. Dann erpresste er sie. Verlangte erst 49 Millionen, dann wollte er sich mit 14 Millionen zufrieden geben. Sonst werde er Videos von ihrem intimen Treffen im August 2007 in Zimmer 629 des Münchner Hotels Holiday Inn veröffentlichen.

Doch Signora BMW hatte den Mut, zur Polizei zu gehen. Sgarbi wurde 2009 in München wegen gewerbsmäßigen Betrugs und gewerbsmäßiger Erpressung zu sechs Jahren Haft verurteilt. Barretta wurde in Italien verhaftet. Unter dem Verdacht, er sei der Hintermann Sgarbis, der die Videos aufgenommen habe, mitkassiere und das System mitorganisiere, Sgarbi in vermögende Kreise einzuschleusen. Der sei nur Barrettas Werkzeug, wurde vermutet, und zudem Anhänger einer Sekte, deren Guru Barretta sei.

Immobilien und Bargeld in Millionenhöhe

Einer der wesentlichen Vorwürfe des Staatsanwalts in Pescara lautete auf Bildung einer kriminellen Vereinigung. Zu ihr sollten Barrettas Frau Beatrice gehören, eine Schweizerin, sein Sohn und seine Tochter, sowie Sgarbis Frau Gabriele Franziska und zwei Angestellte Barrettas. Sie alle sind freigesprochen, dem Vorwurf der kriminellen Vereinigung sind die Richter nicht gefolgt, was zugleich die Sektenhypothese entkräftet, die im Prozess ohnehin kaum eine Rolle spielte.

Barretta, 67, ist ein kleiner Mann mit Stirnglatze und deutlichem Bauchansatz. Einer, den man fast übersieht. Eher bodenständig wirkt er. Wenn seine oder Sgarbis Frau mit der SZ sprechen, kümmert er sich gar nicht darum. Das wirkt nicht wie sektenmäßige Kontrolle, und die beiden Frauen wirken auch kein bisschen unterdrückt. Er sei gläubig, sagt Barretta von sich, und wenn er auf sein Gottvertrauen zu sprechen kommt, dann redet er wie viele katholische Italienern. Der angebliche Sektensitz ist das Anwesen der Familie bei dem Abruzzendorf Pescosansonesco. Das in der Bergnatur gelegene "Country House Rifugio Valle Grande" führen die Barrettas dort als Gasthaus, spezialisiert auf Hochzeitsfeiern und Bankette.

So schlicht, wie er wirken kann, ist Barretta sicher nicht, sonst wäre er nicht der Selfmade-Man, der er ist. Als Schweißer hat er angefangen, hat auch in Deutschland Autos repariert, hat in Österreich gearbeitet und dann ging es steil bergauf mit einem Handel für fast neue Luxuswagen in Zürich, auch Lokale besaß er. Irgendwann haben sie alles verkauft und das Countryhouse-Projekt begonnen. Aber was er damit verdient hat, erklärt für Staatsanwaltschaft und Richter nicht das viele Geld, das auf dem Areal in den Abbruzzen nach dem Klatten-Fall gefunden wurde. 400.000 Euro und 1,8 Millionen Schweizer Franken. Für nochmals rund eine Million hatte Barretta zuvor Immobilien gekauft und bar bezahlt. Die Vermutung ist, dies sei sein Anteil von den sieben Millionen und anderen von Sgarbi begangenen Erpressungen und Betrügereien.

Barretta beharrt darauf, er habe nichts von Sgarbis schmutzigem Gewerbe gewusst, nie Geld von ihm bekommen. Sgarbi hat ihn bei seiner Zeugenaussage entlastet, wie viel wert das auch immer sein mag. Zu den Indizien, die zu seiner Verurteilung führten, gehören abgehörte Telefonate - und dass er mit Sgarbi unterwegs war am Tag, als der Schweizer Klattens 14 Millionen holen wollte.

Ungeheuer mächtige Frau

Um die zehn Millionen muss Barretta laut dem Urteil nun drei von Sgarbi infam betrogene Frauen zahlen, 7,3 davon an Susanne Klatten, die zivile Nebenklägerin ist. Sie habe vor, die sieben Millionen nach Rückerstattung von Sgarbi für Wohltätiges zu stiften, sagte sie vergangenes Jahr in Pescara, wo sie als Zeugin aussagte. Sie bleibt auch in Abwesenheit die große Figur im Prozess.

Barrettas Verteidiger Sabatino Ciprietti malt in seinem Schlussplädoyer von ihr das Bild einer ungeheuer mächtigen Frau mit Zugang zur Kanzlerin, einer, die alles bewirken könne mit ihrem Geld. Ein Mensch aus einer anderen Welt, ein viel zu großes Tier, als dass sich einer wie Barretta auch nur im Traum an sie herantrauen würde. Sgarbi hatte bei seiner Zeugenaussage sogar die Nazi-Vergangenheit der Industriellenfamilie Quandt als Motiv angeführt, er habe jüdische Vorfahren. Fragt man die Barrettas nach ihr, sagen sie, sie hätten wegen Susanne Klatten sehr viel gelitten. Die habe eine Dummheit gemacht mit ihrem Vertrauen in Sgarbi, und nun müssten sie hier dafür büßen.

Barretta wird mit großer Wahrscheinlichkeit in die Berufung gehen. Das kann nochmals Jahre dauern, und ob er je im Stande ist, die rund zehn Millionen Euro zu bezahlen, ist sowieso nicht klar. Seine Familie muss sich inzwischen darauf gefasst machen, dass gegen sie noch wegen Geldwäsche ermittelt werden wird, auch das gehört zum Urteil von Pescara.

© SZ vom 21.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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