Süddeutsche Zeitung

Kommission zu Anschlägen von Norwegen:Breivik hätte "früher gestoppt werden können"

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All die Fehler und Versäumnisse, die sich die norwegische Polizei am 22. Juli vergangenen Jahres zuschulden kommen ließ, hat eine unabhängige Kommission nun noch einmal zusammengetragen. In ihrem Abschlussbericht legt das Gremium dar, warum Anders Behring Breivik früher hätte gestoppt werden müssen.

Dass den Einsatzkräften Fehler unterliefen am 22. Juli vergangenen Jahres, schwerwiegende Fehler, ist längst bekannt. Nun hat eine unabhängige Kommission all die Versäumnisse noch einmal zusammengetragen. Die Ermittler übergaben den Abschlussbericht am Montagmittag dem norwegischen Regierungschef Jens Stoltenberg. Auf gut 500 Seiten zieht das Gremium in dem Report sechs wesentliche Schlussfolgerungen:

[] Der Anschlag auf das Regierungsviertel hätte durch effizientere Anwendung bereits existierender Sicherheitsmaßnahmen verhindert werden können.

[] Die Behörden haben versagt, die Menschen auf Utøya zu beschützen. "Ein rascheres Eingreifen der Polizei war eine realistische Möglichkeit", heißt es in der Zusammenfassung des Abschlussberichts. "Der Angreifer hätte früher gestoppt werden können."

[] Am 22. Juli 2011 hätten bereits schärfere Sicherheitsregelungen und Notfallpläne in Kraft sein müssen.

[] Rettungsdienste und psychologische Notdienste versorgten Verletzte und Angehörige in "zufriedenstellender Weise".

[] Die Kommunikation der Regierung mit der breiten Öffentlichkeit funktionierte.

[] Mit einem breiteren Ansatz und besseren Arbeitsweisen hätten die Geheimdienste von Breivik bereits vor dem 22. Juli Notiz nehmen können. Allerdings lässt sich der Behörde kein direkter Vorwurf machen.

Für ihren Bericht wälzte die Kommission Ermittlungsakten und Zeugenprotokolle, besuchte Überlebende und analysierte GPS-Daten. Alles in allem zeige dieser "mehrere große Schwächen" auf, wie die Kommissionsvorsitzende Alexandra Bech Gjørv sagte. Das Schriftstück möge zu einem "allgemeinen Verständnis davon beitragen, wie die Gesellschaft mit der Situation umging und den Weg ebnen, daraus zu lernen", kommentierte Gjørv.

Neben den Schlussfolgerungen beinhaltet der Kommissionsbericht 31 Empfehlungen, wie solchen Angriffen in Zukunft besser zu begegnen wäre.

Der rechtsextreme Islamhasser Anders Behring Breivik hatte am 22. Juli 2011 im Regierungsviertel von Oslo mit einer Autobombe acht Menschen getötet. Anschließend erschoss er in einem Jugendlager der regierenden Arbeiterpartei auf der Insel Utøya 69 Menschen. Bereits kurz nach den Anschlägen war die norwegische Polizei in die Kritik geraten. So hatten die Beamten Schwierigkeiten, nach Utøya zu kommen und es dauerte eindreiviertel Stunden, bis sie das Morden dort stoppen konnten.

Detailliert werden in dem Bericht Kommunikationsprobleme und die Missachtung von Einsatzregeln ausgeführt. So habe es viel zu lange gedauert, bis eine Beschreibung von Breivik und seinem Fahrzeug durchgegeben wurde. Demnach vergingen 35 Minuten zwischen dem Eintreffen der ersten Polizisten an der Küste gegenüber der Ferieninsel Utøya und der Ankunft von Spezialeinheiten auf der Insel.

Während die ersten beiden Polizisten laut Regelwerk alles hätten unternehmen müssen, um auf die Insel zu gelangen, blieben sie auf dem Festland - sie gaben an, kein Boot gefunden zu haben. Als Angehörige der Polizei-Sondereinheit Delta aus dem 40 Kilometer entfernten Oslo schließlich versuchten, auf die Insel zu gelangen, fiel ihr überladenes Schlauchboot aus. Die Polizisten mussten daraufhin auf zwei Privatboote umsteigen.

Die Kommission führt in dem Report zudem aus, dass es bereits seit 2004 geplant gewesen sei, die Straße entlang des Regierungssitzes in Oslo für den Verkehr zu sperren. Dies sei aber wegen bürokratischer Hemmnisse nicht geschehen. Breivik konnte so einen Lieferwagen mit einer 950 Kilogramm schweren Bombe direkt vor dem 17 Stockwerke hohen Regierungsgebäude parken.

Das Urteil im Prozess gegen Breivik soll am 24. August fallen. Dabei wird es vor allem darum gehen, ob der 33-Jährige für zurechnungsfähig - und schuldfähig - erklärt wird oder nicht.

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