Kolumne "Schön doof" zu Hollande und Gayet:Eine schmucklose Affäre

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François Hollande soll eine Affäre mit der Schauspielerin Julie Gayet haben.

(Foto: AFP)

Der französische Präsident fährt nie ohne Helm zu seiner Geliebten, als Liebesmahl gibt es Croissants. Mit Verlaub, Monsieur Hollande: So sammelt man keine Glamour-Punkte.

Eine Kolumne von Hilmar Klute

Man kommt einfach nicht von dieser famosen Vorstellung los: Mitten in der Nacht steigt der französische Staatspräsident François Hollande auf sein Moped und fährt für ein paar Stunden zu seiner Freundin Julie Gayet. Die beiden haben tollen Sex, später bekommen sie frische Croissants von Hollandes Leibwächter vorbeigebracht, und dann dauert es auch nicht mehr lange, bis sich Hollande wieder mit den Lohnnebenkosten befassen wird. Die müssten dringend gesenkt werden, genau wie der Blutdruck von Valérie Trierweiler, gar nicht zu reden von der Aufregung, die in der französischen Bevölkerung entstanden ist, seit das Magazin Closer von der angeblichen Nebenbeziehung des Präsidenten berichtet hatte.

Geschichten von sogenannten Amourschaften - ein schönes Wort, das die in München wie in Paris gleichermaßen heimische Schriftstellerin Annette Kolb erfunden hat - erfahren auch in wirtschaftlich wabbeligen Zeiten deutlich mehr Anklang als Fragen der Steuerpolitik. Nun wenden Leute, die mit der französischen Mentalitätengeschichte auf Du und Du stehen, ein, es sei doch gang und gäbe, dass sich die dortigen Politiker auf hübsche junge Frauen einlassen, ja, letztlich seien Liebesaffären tragende Pfeiler der französischen Innenpolitik. Zumindest aber seien sie - nein, hier wird der Kenner elegant, aber bestimmt in den Indikativ wechseln: Zumindest sind sie wertvolle Punkte im Glamour-Couponheft eines jeden französischen Politikers.

In der Affäre Hollande-Gayet bemerkt der hellhörige Beobachter dieser Tage solche Töne, denen ein bisschen das Baiserhafte fehlt. Das Kennerschmunzeln muss einer kritischen Bestandsaufnahme weichen: Diese Amourschaft wird nicht goutiert, man empfindet sie als wenig stilsicher, wenn nicht als unangemessen. Wie kommt es, dass ein Mann mit einem eher flüchtig aufgetragenen Charisma eine derart flamboyante Persönlichkeit aufsuchen darf? Die Frage ist natürlich ungerecht, denn Julie Gayet hat ja durch die Bereitstellung ihrer Pariser Adresse den Reiz von François Hollande bejaht.

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Ein Bild aus vergangenem April: Valérie Trierweiler und François Hollande.

(Foto: AFP)

Mit einem Renault Scénic durch die Provinz

Dass die Franzosen die Liebesbeziehung Hollandes zu Gayet eher ein bisschen angewidert zur Kenntnis nehmen, hat seinen Grund in der Art der Imagepflege, die Hollande schon bei Amtsantritt vorgenommen hat. Wir erinnern uns: Hollande legte für einen Präsidenten ungewöhnlich lange Strecken zu Fuß zurück; er verzichtete auf teure Flüge und schaukelte am Abend seiner Wahl mit einem Renault Scénic durch die Provinz. Und er kündigte schon zu Beginn seiner Amtszeit an, dass er stets den Helm tragen werde, wenn er mit dem Motorroller durch Paris fahre. Damals sagte er natürlich nicht, dass er den Helm auch deshalb auf den Kopf setzen werde, damit ihn das Pariser Volk nicht erkennt, wenn er zu Julie Gayet unterwegs ist. Aber damals kannte er die Gayet wahrscheinlich auch nur aus dem Fernsehen.

Ein Mann, der alles Glamouröse derart herunterfährt wie Hollande, muss natürlich in Rechnung stellen, dass die Leute ihm das Recht auf eine Liebesaffäre nicht ohne Weiteres zubilligen werden. Hollande hat sich von Beginn an für eine fleißbeseelte Ärmelschoner- und Ratzefummel-Identität entschieden. Er trägt nicht die besten Anzüge und erreicht frühzeitig seine gestalterischen Grenzen, wenn es darum geht, einen vorzeigbaren Krawattenknoten zu binden. Seine Englischkenntnisse lassen ihn für eine Gastrolle in "Downton Abbey" eher nicht infrage kommen, und bei seinem Gang über den roten Teppich in Berlin mit der deutschen Kanzlerin schien seinerzeit der selige Louis de Funès die Regie geführt zu haben. Bündig gesagt: Monsieur Hollandes öffentliches Wirken ist in den Augen der meisten Franzosen von kleinlich portionierter Eleganz. So einer schläft nicht mitten in der Nacht mit einer fremden Schauspielerin.

Ein Croissant für etwa 95 Cent

Anhänger des frivolen Unterwegsseins finden außerdem, dass man Affären in einem Rahmen ausleben sollte, der nicht ganz so schmucklos daherkommt. Chirac hätte für sich und Frau Gayet ein opulentes Frühstück kommen lassen, Mitterrand hätte mit ihr in einem unbekannten Seitentrakt des Élysée gefrühstückt, und Sarkozy wäre noch vor Sonnenaufgang aufgestanden, um für Julie einen Fasan zu schießen.

Und was tut Hollande? Er lässt von seinem Leibwächter Croissants herbeischaffen. Ein Croissant kostet in Frankreich etwa 95 Cent, aber es würde vermutlich einiges weniger kosten, wenn es François Hollande gelingen sollte, die Lohnnebenkosten tatsächlich zu senken. Ja, das sollte Hollande jetzt tun, Valérie Trierweiler hin, Julie Gayet her. Denn nichts, wirklich nichts interessiert die Franzosen brennender als die Frage, wie der französische Staatspräsident François Hollande dieses Problem lösen wird. Welches auch immer.

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Mit Ségolène Royal (links im Bild) hat Hollande vier Kinder, mit Valérie Trierweiler (rechts im Bild) eine Beziehung - und mit Julie Gayet angeblich eine Affäre.

(Foto: AFP)
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