Kolumbien:Mit Exorzismus gegen Kriminalität

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Mit Rosenkranz und Weihwasser will der Bischof die von Morden und Gewalt erschütterte kolumbianische Stadt Buenaventura befreien. (Foto: Nicolas Armer/dpa)

Die kolumbianische Stadt Buenaventura wird von Morden und Gewalt erschüttert. Der Bischof greift nun zu ungewöhnlichen Maßnahmen.

Von Benedikt Peters, München

Rubén Darío Jaramillo hatte einen Plan. An diesem Samstag wollte er ein feierliches Messgewand überstreifen, sich ein Weihwasserfässchen greifen und in einen Helikopter steigen. Und dann, so hatte er es angekündigt, wollte er seine Stadt von oben mit Weihwasser besprühen und ihr so "den Teufel austreiben".

Jaramillo ist 52 Jahre alt, er ist Bischof von Buenaventura, einer malerisch gelegenen Hafenstadt mit etwa 400 000 Einwohnern im Südwesten Kolumbiens. Buenaventura wird gesäumt von der Pazifikküste, einem sattgrünen Nationalpark, aber die Lage ist wohl das einzige, was an diesem Ort gerade schön ist.

Seit Anfang des Jahres wird Buenaventura überspült von einer Welle der Gewalt, die Behörden haben schon mehr als 50 Morde registriert. Dutzende Menschen gelten zudem als vermisst, wie viele, das weiß niemand so genau. Was jedoch mit ihnen passiert, darüber machen sich die Bewohner dieser Stadt, deren Name übersetzt so viel wie "Glück" oder "gute Zukunft" heißt, keine Illusionen. Kürzlich erst wurde der abgeschnittene Kopf eines Mannes gefunden, er trieb im Meer, in der Nähe des Hafens.

Feuerwehrschlauch statt Helikopter

Im Juni hatte Jaramillo seinen Plan für den Exorzismus von oben verkündet und damit für großes Aufsehen gesorgt. Nun ist der Bischof etwas zurückgerudert, vielleicht, weil ihm der Rummel etwas groß geworden ist. Selbst der Guardian im fernen Großbritannien hatte schon berichtet. Einem Nachrichtenportal sagte er, auf den Flug mit dem Helikopter werde er verzichten. Stattdessen will er in einer Prozession durch Buenaventura ziehen und mithilfe eines Feuerwehrautos die Straßenzüge großflächig mit Weihwasser besprühen. "Wir gehen überall hin, in die schlimmsten Viertel, dorthin, wo die Leute ermordet wurden", verspricht er.

Für den Bischof mag der Teufel in der Stadt stecken, aber natürlich gibt es für die vielen Toten auch eine irdische Erklärung. In Buenaventura treiben Drogenbanden ihr Unwesen, sie nennen sich "La Empresa" (Die Firma) und "La Local" (Die von hier). Hervorgegangen sind sie aus rechten, paramilitärischen Banden, die einst gegen linke Guerilleros gekämpft und offiziell längst ihre Waffen niedergelegt haben. Tatsächlich aber haben sie das nie getan.

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Es ist kein Wunder, dass sich die Gangs Buenaventura für ihre Aktivitäten ausgesucht haben. Die Stadt hat nicht nur einen der größten Häfen Kolumbiens, sondern auch etliche kleine Buchten, in denen Boote zu Wasser gelassen werden können. Sie werden kaum kontrolliert. Für Waffen- und vor allem Drogenschmuggler ist Buenaventura ein Paradies, zumal es auf dem Weg in Richtung der USA liegt, des größten Markts für kolumbianisches Kokain.

50 Jahre Bürgerkrieg

Schon früher war es in Buenaventura schlimm, der Ort galt als "tödlichste Stadt Kolumbiens", ein Titel, der in einem Land, in dem mehr als 50 Jahre lang Bürgerkrieg herrschte, nicht gerade leicht zu bekommen ist. Anwohner berichteten von sogenannten "casas de pique", "Schlachthäusern", in denen die Gangs all jene folterten und ermordeten, die ihnen in die Quere kamen. 2014 schickte der damalige Präsident Juan Manuel Santos Truppen, daraufhin wurde es friedlicher.

Aus Sicht von Bischof Jaramillo war der Frieden stets trügerisch. "Die casas de pique gibt es nach wie vor", sagte er kürzlich der Zeitschrift Semana. Der einzige Unterschied sei, dass es den Banden inzwischen besser gelinge, die Toten verschwinden zu lassen. "Sie werden irgendwo weit draußen auf dem Land verscharrt. Oder sie stecken die Leichen in Kübel mit Zement und versenken sie im Meer." Die Menschen gingen oft nicht zur Polizei, weil sie Angst hätten, dann als Nächstes ermordet zu werden.

Jaramillo glaubt, dass viele Menschen zu seiner Prozession kommen werden, und er könnte recht behalten. Auf den Staat verlassen sich die Menschen längst nicht mehr, nicht nur in Buenaventura, sondern in ganz Kolumbien. Gerade in ländlichen Regionen sind die Behörden schwach, sie lassen die Banden häufig gewähren. Das liegt auch daran, dass viele Beamte bestochen werden - mit den Milliarden, die die Gangs vor allem mit US-amerikanischen und europäischen Konsumenten verdienen. Solange sich das nicht ändert, ist Beten für viele die letzte Hoffnung.

© SZ vom 13.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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