Buenos Aires:Drogenschmuggel im Diplomatengepäck

Drogen: Kokain im Wert von 50 Millionen Euro wurde in der russischen Botschaft in Buenos Aires gefunden.

Rund 50 Millionen Euro, in Paketen verschnürt: Das Kokain, das in der russischen Botschaft in Buenos Aires gefunden wurde.

(Foto: Reuters)
  • Argentinische und russische Ermittler haben fünf mutmaßliche Drogendealer festgenommen, die Kokain über russisches Diplomatengepäck nach Europa schmuggeln wollten.
  • Die Verdächtigen, darunter ein Polizist, sollen ihr Geschäft im Rahmen einer Sicherheitskonferenz angebahnt haben.
  • Bei Berlin wurde nun der mutmaßliche Drahtzieher festgenommen - ein mysteriöser Señor K.

Von Frank Nienhuysen, Sebastian Schoepp

Es geht um 389 Kilogramm kolumbianisches Kokain im Schwarzmarktwert von 50 Millionen Euro. Um sie von Südamerika auf den europäischen Markt zu bringen, wollte eine Schmugglerbande einen eher weniger gebräuchlichen Weg nehmen: über russisches Diplomatengepäck via Buenos Aires. Fünf mutmaßliche Dealer, drei Russen und zwei Argentinier, haben argentinische und russische Ermittler nun in einer gemeinsamen Aktion festgenommen. Ein sechster, der mögliche Drahtzieher, wurde am Freitag in der Nähe von Berlin festgenommen. Der mysteriöse Señor K., wie ihn die argentinische Presse nennt, soll offiziell mit Havannas und Schnaps handeln.

Nicht nur die Fahndung, auch die Anbahnung des Geschäfts war eine russisch-argentinische Koproduktion. Ein argentinischer Polizist russischer Abstammung, Iván B., soll seine Sprachkenntnisse für den Deal genutzt haben. Die Bande um ihn und Señor K. deponierte zwölf Koffer - Reinas, "Königinnen" -, wie solche Ladungen im Narko-Jargon genannt werden, in einem Nebengebäude der russischen Botschaft im Nobelviertel Recoleta von Buenos Aires, in dem eine Schule untergebracht ist. Zugang zu dem Komplex erlangten sie, weil Iván B. zugleich örtlicher Sicherheitsberater der russischen diplomatischen Vertretung war.

Die Polizei tauschte das Kokain gegen Mehl aus und legte sich auf die Lauer

Besonders geschickt gingen sie anscheinend nicht vor, denn der russische Botschafter Victor Koronelli erhielt einen Hinweis und alarmierte die Polizei. Der Bundesrichter Julían Ercolini, in Argentinien berühmt durch seine Ermittlungen gegen das Präsidentenpaar Kirchner, entschloss sich zu einer ungewöhnlichen Aktion - natürlich unter dem Decknamen "12 Königinnen". Die Polizei kaufte im Zentralmarkt von Buenos Aires 400 Kilo feinstes Mehl, tauschte es gegen die Drogen aus, brachte GPS-Sender an und ließ das Gepäck stehen, wo es war.

Mehr als ein Jahr dauerte es, bis die Gangster sich entschieden, es schließlich zum Abtransport zu holen. Die Koffer sollen nach argentinischen und britischen Medienberichten in ein Flugzeug des Chefs des russischen Sicherheitsrates, Nikolaj Patruschew, verladen und nach Moskau geflogen worden sein. Das wies der russische Sicherheitsrat jedoch vehement zurück. "Das sind irgend jemandes Fantasien", zitierte die Nachrichtenagentur Interfax die Behörde. Ein Foto von einer russischen Diplomatenmaschine, das in argentinischen Medien veröffentlicht wurde, habe nichts mit dem Kokain-Fall zu tun, erklärte Moskau. Eine Webseite mit Abbildungen staatlicher Flugzeuge ist seit der Veröffentlichung eines Artikels in der russischen Wirtschaftszeitung RBC nicht mehr abrufbar.

Bei der Übergabe der fingierten Lieferung am russischen Zielort schlug die dortige Polizei jedenfalls zu. Drei Personen wurden festgenommen, darunter ein Funktionär; zwei weitere Festnahmen gab es kurz danach in Buenos Aires - Iván B. und ein weiterer Polizist, wie die argentinische Gendarmería Nacional mitteilte.

Für die Sicherheitskräfte ist die Angelegenheit äußerst peinlich: Angeblich wurde der Kontakt zwischen den Polizisten und ihren russischen Geschäftspartnern bei einem Treffen argentinischer und russischer Sicherheitskräfte angebahnt, der im Rahmen eines internationalen Informationsaustausches über Sicherheitsfragen stattfand.

Die Dealer lernten sich ausgerechnet auf einer Sicherheitskonferenz kennen

Das russische Außenministerium dementierte nun, dass Kokain über russische Diplomatenfracht verschickt werden sollte. Der festgenommene technische Mitarbeiter der russischen Botschaft habe weder einen Diplomatenpass besessen noch Zugang zu diplomatischer Fracht gehabt. Vizeaußenminister Sergej Rjabkow sagte, dass "zusätzliche Anmerkungen" in der Sache das Ziel hätten, "die russischen Diplomaten zu verleumden". Die russische Zeitung Kommersant schrieb, "in dieser Kokain-Geschichte gibt es bisher mehr Fragen als Antworten".

Laut einem Bericht der argentinischen Zeitung La Nación soll dies allerdings nicht die erste Ladung gewesen sein. Zwischen 2012 und 2015 soll es drei aus der Sicht der Täter erfolgreiche Reisen von südamerikanischem Kokain auf Diplomatenwege nach Europa gegeben haben. Laut der für Sicherheit zuständigen argentinischen Ministerin Patricia Bullrich soll es eines der "komplexesten und professionellsten Drogengeschäfte" gewesen sein, die sich in Argentinien je abgespielt hätten.

Bullrich hat ein persönliches Interesse an schneller Aufarbeitung. Iván B. hatte ihr als Dolmetscher gedient beim Besuch russischer Polizisten. Immerhin wurde der verhängnisvolle Polizeiaustausch zwischen beiden Ländern 2017 vorerst gestoppt.

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