UN-Drogenbericht:Warum die Kokain-Produktion boomt

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In Buenaventura, Kolumbiens wichtigstem Hafen an der Pazifikküste, inspizieren Ermittler Kokainpäckchen, die für den Transport nach Europa bestimmt waren. (Foto: Raul Arboleda/AFP)

Das Rauschgift ist derart gefragt, dass die Produktion schier explodiert - vor allem in Kolumbien, wo Anbauflächen für die Kokapflanze stark wachsen. Begünstigt, auch durch einen Friedensnobelpreis.

Von Sandro Benini

Es wird immer mehr, und es wird immer reiner. Gemäß dem jüngsten Drogenbericht der Vereinten Nationen hat die globale Produktion von Kokain einen historischen Höchstwert erreicht. 1976 Tonnen seien im Jahr 2017 hergestellt worden, das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg um 25 Prozent. Die größere Menge vermindert den Anreiz für Dealer, den Stoff zu strecken, was auch zu einem höheren Reinheitsgrad führt.

Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht, die das Abwasser zahlreicher europäischer Städte regelmäßig auf ausgeschiedene Kokainrückstände untersucht, verzeichnet seit 2015 fast überall deutlich steigende Werte. Der Konsum nimmt also zu. Der wichtigste Grund für die Kokainschwemme ist, dass die Anbauflächen für die Kokapflanze in Kolumbien schon seit mehreren Jahren stark wachsen - in jenem Land also, aus dem 70 Prozent des weltweit konsumierten Kokains stammen. Allein 2017 wuchsen die Kokafelder um 17 Prozent, in den Jahren zuvor waren die Zuwachsraten noch wesentlich höher gewesen.

UN-Bericht
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An einer Überdosis Opioide starben allein in den USA fast 50 000 Personen. Die weltweite Kokainproduktion erreicht ein Allzeithoch.

Dieses Phänomen fällt zusammen mit einem historischen Ereignis, das dem früheren kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos 2016 den Friedensnobelpreis eintrug: Der Friedensschluss zwischen kolumbianischer Regierung und Farc-Guerilla. Die Unterzeichnung des Vertrags am 26. September 2016 beendete einen Konflikt, der eine Viertelmillion Menschenleben gefordert hatte. Zuvor hatten Regierung und Rebellen in Oslo und Havanna vier Jahre lang verhandelt. Als Zeichen des guten Willens hatte Santos die Besprühung von Kokafeldern mit Herbiziden eingeschränkt, und im Oktober 2015 verbot das kolumbianische Obergericht deren Einsatz ganz, aus gesundheitlichen Gründen. Fortan mussten die Ordnungskräfte Kokapflanzen von Hand ausreißen, was mühselig und gefährlich ist. Dies nutzten die Farc, um die Anbauflächen zu verdoppeln.

Die Guerilla ist zugleich Kolumbiens größter Kokainproduzent. Sie baute vor: Wären die Verhandlungen gescheitert, hätte sie über mehr Geld verfügt, um ihren bewaffneten Kampf wieder aufzunehmen. Santos hatte als Präsident versprochen, jene Kokabauern zu entschädigen, die freiwillig auf den Anbau der Pflanze verzichteten. Um höhere Entschädigung zu erhalten, dehnten viele Bauern während der Verhandlungen ihre Anbauflächen aus.

Der Friedensvertrag verpflichtet die Farc, das Kokaingeschäft aufzugeben. Um die riesigen Flächen, die gewissermaßen herrenlos wurden, ist ein Kampf zwischen Drogenkartellen entbrannt. Teile der Guerilla sind "normale" Drogenhändler geworden. Da sich das Verhältnis zwischen Kolumbiens aktuellem Präsidenten, dem Konservativen Iván Duque, und den Ex-Guerilleros rapide verschlechtert, wächst die Zahl ehemaliger Rebellen, die dealen.

Im Übrigen würde das Angebot an Kokain nicht derart explodieren, wenn es nicht auch die Nachfrage täte. Der Motor des internationalen Kokainhandels sind nicht die Produzenten in Kolumbien, sondern die Konsumenten in den reichen Industrieländern.

© SZ vom 28.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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