Körperkunst:Zu Bethlehem gestochen

Im Westjordanland gibt es einen einzigen Tätowierer: Walid Ajasch, dessen "Pain Art"-Studio nahe der Geburtskirche liegt. Deshalb hat er sich auf christliche Motive spezialisiert - er hat aber auch ganz andere Bilder im Angebot.

Von Peter Münch, Bethlehem

Wer die Krippe sucht in Bethlehem, der wird in diesen Tagen überall fündig: Zuvörderst natürlich in der Geburtskirche, in die zu Weihnachten die Pilger aus aller Welt strömen. Vieltausendfach liegt das Jesuskind auch noch in den Auslagen der Holzschnitzer und Touristen-Tandler. Doch wer wirklich etwas Exklusives und obendrein Nachhaltiges sucht, der sollte sich vertrauensvoll an Walid Ajasch wenden. Bei ihm gibt es die Krippe als Körperkunst.

Walid Ajasch ist der Tätowierer von Bethlehem. Als gläubiger Katholik und kluger Geschäftsmann hat sich der 39-Jährige auf christliche Motive spezialisiert. 140 bis 150 verschiedene Körperbilder gibt es im Angebot, von der Krippe bis zum Kreuz, von der Jungfrau Maria bis zu Bibelsprüchen. "Die steche ich auch in Aramäisch, Arabisch oder Hebräisch", sagt der polyglotte Künstler. Auf der Preisliste fängt es an bei 200 Schekel für ein einfaches Kreuz, umgerechnet knapp 50 Euro. "Das kann aber auch hochgehen bis zu ein paar Tausend", erklärt er, "kommt darauf an, wie groß und detailliert das Tattoo ist."

Im palästinensischen Westjordanland ist er der Einzige seiner Art. Das Handwerk hat er sich selber beigebracht, übers Internet, mit Youtube-Videos. "Schritt für Schritt habe ich dazugelernt", meint er. Nach fünf Jahren im Selbststudium fand er in Jerusalem einen Lehrmeister namens Daniel, einen russischen Juden, von dem er bis heute völkerverbindend schwärmt. Vor 13 Jahren schließlich hat er sich selbständig gemacht und unten am Friseursalon seines Vaters ein Schild anbringen lassen: "Pain Art Tattoo Studio".

Die Schmerzenskunst praktiziert er seitdem im knapp zwei Meter hohen Zwischengeschoss über der Frisierstube. Der düstere Raum ist rammelvoll mit schweren Möbeln, aus einer Stereoanlage dröhnt arabische Popmusik. An der Wand prangen auf Englisch die für passend erachteten Sinnsprüche: "Follow your dreams", steht da, "Love what you do" und "Don't stop drinking". Die Kundschaft sitzt auf einem alten Frisierstuhl, auf dem Tisch davor liegen unzählige Tuben mit Tinte. Stolz zeigt Ajasch seine Nadeln und Geräte. "Das ist alles aus Deutschland", sagt er, "ich liebe deutsche Maschinen."

Kundschaft kommt reichlich. "Allein in Gruppen waren in diesem Jahr mehr als 2400 Leute bei mir", erklärt er. Meist sind es assyrische Christen, Kopten aus Ägypten oder orthodoxe Armenier, bei denen fromme Tätowierungen zur religiösen Tradition gehören. Wenn sie als Pilger ins Heilige Land reisen, sind sie zumeist in Israel unterwegs - Jerusalem, Nazareth, See Genezareth. Doch natürlich darf Bethlehem nicht fehlen im Programm, und mit einem Besuch bei Walid Ajasch wird dieser, nun ja, Abstecher zur bleibenden Erinnerung.

Krippe, Kreuz, Dornenkrone, das sind die Klassiker. Neu im Sortiment: ein Weihnachtsbaum

Auf dem Flachbildschirm über seinem Schreibtisch spielt Ajasch nun ein paar Videos vor von seiner Arbeit. Viele fromme Menschen sind da zu sehen, die er mit Andenken schmückt, die unter die Haut gehen. Während er einer stocksteifen Kundin ein Kreuz tätowiert, stimmt ihre Pilgergruppe im Hintergrund einen Gebetsgesang an. "Ostern ist Hochsaison", erklärt er. Doch auch fürs Weihnachtsgeschäft ist er gerüstet. Als Saisonangebot hat er zum Beispiel ein Weihnachtsbaum-Tattoo ins Sortiment genommen. "Die Kunden sind alle glücklich, wenn sie bei mir waren", berichtet er, und auch er selbst macht seine Arbeit mit purer Leidenschaft. Der Jeep vor dem Laden verweist überdies darauf, dass das Geschäft den Mann ernährt und obendrein noch die Familie mit den vier Kindern. So lässt sich wohl auch manche Anfeindung aushalten, die aus der Nachbarschaft kommt. Denn auch in Bethlehem sind die Christen längst in der Minderheit, und für die Mehrheit der Muslime ist ein Tattoo eher ein Tabu. Ajasch erzählt von "bösen Worten", die er bisweilen zu hören bekommt.

Dabei gibt er sich reichlich Mühe, den Kundenkreis in alle Richtungen zu erweitern. Eigens für die patriotisch gesinnte palästinensische Klientel hat er das Konterfei von Jassir Arafat im Angebot. Das wird gern genommen. Gar nicht lange her ist es auch, dass einer sich den bärtigen Saddam Hussein stechen ließ. Zudem hat Ajasch auch diverse "Tribals" im Angebot mit kunstvoll geschwungenen Linien, dazu noch Schmetterlinge oder Skorpione. Und, ach ja, einem Russen hat er mal ein Wodka-Label auf den Arm tätowiert.

Das Kerngeschäft aber bleiben die christlichen Motive - und da ist Walid Ajasch selbst sein bester Werbeträger. Den halben, durchaus mächtigen Körper hat er verziert mit einer Art Christus-Comic. Die Geburtskirche trägt er auf der linken Brust, am Oberarm dann Jesus mit der Dornenkrone, und selbst die Römer fehlen nicht, die den Herrn ans Kreuz geschlagen haben. "Ich mache meine Kunst für Jesus", sagt er, "und ich habe sein ganzes Leben auf meinem Körper."

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