Süddeutsche Zeitung

Kölner U-Bahn-Skandal:Pfusch in Serie

Der Kölner U-Bahn-Skandal weitet sich überregional aus. Auch in Düsseldorf gab es vorsätzlichen Betrug. Vergleichbare Großprojekte der letzten 40 Jahre sollen nun auf den Prüfstand.

Dirk Graalmann

Bisher, sagt Gregor Bonin, "hat in Deutschland doch keiner geglaubt, dass so etwas möglich ist". Mit "so etwas" meint der Düsseldorfer Baudezernent die offensichtlich kriminelle Energie Einzelner beim U-Bahn-Bau.Erst wurde bekannt, dass beim Bau der Kölner Nord-Süd-Bahn massiv Messprotokolle der Schlitzwände gefälscht und zudem für die Statik relevante Eisenteile der so genannten Bewehrungskörbe geklaut und verscherbelt wurden. Nun hat auch die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt ihre Erfahrung mit Pfusch am Bau.

In Düsseldorf entsteht gerade die Wehrhahn-Linie, eine 3,6 Kilometer lange U-Bahn-Trasse. Auch dort gab es, offenbar verursacht durch dieselben Arbeitnehmer der Baufirma Bilfinger Berger, ebenso vorsätzlichen Betrug. Die Stadt Düsseldorf erstattete Strafanzeige, die Staatsanwaltschaft ermittelt mit einem Sonderdezernat. Die Prüfung könne aber "einige Wochen dauern, da die Staatsanwaltschaft die Prüfprotokolle sichten müsse", sagte Oberstaatsanwalt Johannes Mocken am Mittwoch.

Gefälschte Messprotokolle

Aber bereits jetzt schwebt über allem die Frage, ob so eine Katastrophe wie der Einsturz des Kölner Stadtarchivs - verursacht durch die angrenzenden Bauarbeiten zur Nord-Süd-Bahn - auch in Düsseldorf droht.

Gregor Bonin weiß um die Assoziation, entsprechend lange müht er sich um Aufklärung. Von den insgesamt 413 Messprotokollen seien drei identisch - und damit offenkundig gefälscht, zwölf weitere Messprotokolle seien "wahrscheinlich falsch" und ein weiteres Dutzend "möglicherweise falsch." Droht deshalb nun der GAU? "Der Bau ist bei uns noch gar nicht so weit fortgeschritten", sagte Bonin der Süddeutschen Zeitung. "Eine Gefährdung liegt nicht vor." Die Schlitzwände, die möglicherweise fehlerhaft montiert wurden, dienen derzeit noch gar nicht zur Stützung einer Baugrube. Erst in einem halben Jahr soll innerhalb der Schlitzwände der Aushub beginnen - und dann werde "noch einmal alles intensiv geprüft".

Außerdem gebe es bei lediglich sechs der 541 Bewehrungskörbe Zweifel am regelgerechten Einbau. Fälle, in denen der externe Bauingenieur wie beim TÜV Mängel aufschrieb, welche die bauausführende Firma dann vor dem Einbau zu beheben hatte. "Bisher lief das nach Treu und Glauben", so Bonin, inzwischen aber "ist klar: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser." Das Prinzip aber funktioniert auch nur dann, wenn der Kontrolleur nicht - wie in Köln - identisch mit dem Kontrollierten ist. "Das ist ja offenkundig der Kern des Problems", befindet Bonin.

Diesmal mit externen Prüfern

Wie widersinnig dieses Prinzip ist, hat auch das nordrhein-westfälische Bauministerium erkannt - und nun eine "förmliche Trennung zwischen Technischer Aufsicht und Bauherrenfunktion" verfügt. Dabei wird sich die Bezirksregierung als Technische Aufsichtsbehörde (TAB) externer Prüfer bedient. Damit solle "bereits der bloße Anschein einer Interessenskollision zwischen dem Bauherrn und den ordnungsrechtlichen Zielen der Bauaufsicht vermieden werden."

Zudem kündigte die Bezirksregierung an, weitere Großprojekte in NRW noch einmal untersuchen zu wollen. Man habe die Oberbürgermeister angeschrieben, damit sie mitteilen, "ob in den letzten 40 Jahren ähnliche Großprojekte durchgeführt wurden", sagte Bernhard Hamacher, Sprecher der Bezirksregierung. Insgesamt, so Hamacher, lägen schließlich allein mehr als 100 Kilometer U-Bahn-Trassen in NRW. Die Prüfung könne "Monate, vielleicht noch bis ins neue Jahr dauern", sagte Hamacher. Viel mehr als Protokollen auszuwerten wird man nicht tun können, die Bauwerke sind längst im Betrieb und niemand kann verlässlich sagen, was genau wie eingebaut wurde. "Wir möchten als Aufsichtsbehörde sagen können, dass wir alles getan haben", erklärte Hamacher.

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SZ vom 25.02.2010/jab
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