Kölner Stadtarchiv:Pfusch im großen Stil

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Die Suche nach der Ursache geht weiter: Zwar sollen Arbeiter beim Bau der Kölner U-Bahn auf Weisung ihres Chefs systematisch Eisenstangen gestohlen haben - dies hat aber nicht zum Einsturz geführt.

Knapp ein Jahr nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs hat die Staatsanwaltschaft Pfusch beim Bau der U-Bahn aufgedeckt. Bauarbeiter sollen Eisenstangen gestohlen haben, die für Stützmauern in U-Bahn-Schächten vorgesehen waren.

Die Arbeiter sollen systematisch für den Bau der U-Bahn benötigte Eisenstangen an Schrotthändler verkauft haben - auf Weisung ihres Chefs. (Foto: Foto: AP)

Der Pfusch sei aber nicht die Ursache des Unglücks, betonte Oberstaatsanwalt Günther Feld. "Die fehlenden Stahlstücke können nicht zum Einsturz des Stadtarchivs geführt haben, denn der Schadensbereich liegt etwa zehn Meter unter dem Einbaubereich der Stahlstücke." Über den Pfusch hatte als erstes der Kölner Stadt-Anzeiger berichtet.

Bei dem Einsturz des Stadtarchivs im März 2009 waren zwei junge Anwohner getötet worden. Zahllose wertvolle Unterlagen, Briefe und Fotos wurden verschüttet. Es entstand ein Schaden von mindestens einer halben Milliarde Euro. Das Stadtarchiv galt als eines der bedeutendsten Europas. Es stand direkt an der U-Bahn-Baustelle.

Ein Drittel der Stangen an Schrotthändler verkauft

Die Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren gegen zwei verantwortliche Mitarbeiter der am U-Bahn-Bau beteiligten Bauunternehmen eingeleitet. Der Vorwurf: Unterschlagung und Betrug. Es gebe Anhaltspunkte dafür, dass auf Weisung des Poliers - des Baustellenleiters - nicht die vorgebene Zahl von Stangen eingebaut worden sei. Die eingesparten Eisenbügel sollen die Mitarbeiter an Schrotthändler verkauft haben.

Dies gelte außer für die Baustelle am Unglücksort auch noch für andere Baugruben. Die Anwohner müssten sich aber keine Sorgen machen: "Die Standsicherheit ist überall geprüft und überall gewährleistet", versicherte Feld. In seiner Online-Ausgabe berichtete der Kölner Stadt-Anzeiger, dass derselbe Polier auch an U-Bahn-Arbeiten in Düsseldorf beteiligt sei.

Nach Informationen der Zeitung hat einer der Arbeiter ein Geständnis abgelegt. In eine Außenwand, die das U-Bahn-Bauwerk sichern sollte, seien mindestens ein Drittel weniger Eisenbügel als angegeben eingeflochten worden. Das Protokoll für den betreffenden Bauabschnitt soll dementsprechend gefälscht worden sein.

"Wenn tatsächlich ein Drittel der Bügel fehlen würde, das wäre schon heftig", sagte der Präsident der Ingenieurkammer-Bau NRW, Heinrich Bökamp, der dpa. Zum Wert der Eisenstangen konnte er nichts sagen: "Aber die werden schon einiges Geld dafür bekommen haben, so dass das ein lukratives Geschäft gewesen sein dürfte."

Bereits im vergangenen Monat hatte die Staatsanwaltschaft einen Betrugsverdacht bei der Abrechnung von Arbeiten beim Bau der U-Bahn bestätigt. Möglicherweise seien auch technische Aufzeichnungen manipuliert worden. Im Rahmen dieser Ermittlungen wurde die Staatsanwaltschaft nun auf den Diebstahl der Eisenstangen aufmerksam.

"Viele Spekulationen"

Was nun wirklich Ursache des Einsturzes war, weiß die Staatsanwaltschaft bisher nicht. Drei Gutachter untersuchen den Fall zusammen mit weiteren Wissenschaftlern. "Es gibt zurzeit viele Spekulationen, aber keinerlei belastbare Erkenntnisse", sagte Oberstaatsanwalt Feld. "Die können wir auch nicht haben, weil die Schadensstelle noch gar nicht zugänglich ist."

Sie befindet sich tief in der unter Wasser stehenden Baugrube. Es werde noch Monate dauern, bis diese Stelle für die Ermittler erreichbar sei, sagte Feld. Zunächst muss dafür ein viereckiger Kasten in den Trichter gebaut werden. Diese 16 mal 22 Meter große Schutzvorrichtung soll ein Abrutschen der Böschung verhindern.

Immer wieder ist darüber berichtet worden, dass eine löchrige Schlitzwand das Archiv zum Einsturz gebracht haben könnte. Grubenwasser in der U-Bahn-Baustelle unter dem Archiv könnte dieser Theorie zufolge durch die Löcher geströmt sein und das Erdreich unter dem Archiv weggespült haben.

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