Kölner Dom kürzer als gedacht:20 Zentimeter Kölsche Identität

Eine Meldung, die Köln in Aufruhr versetzt: Der Dom ist kürzer als bisher gedacht, 20 Zentimeter sind es beim Nordturm, immerhin 9 Zentimeter beim Südturm. Experten beruhigen: Der Dom sei nicht geschrumpft, es sei nur anders gemessen worden.

Oliver Klasen

Man tut den Kölnern vermutlich kein schlimmes Unrecht, wenn man sagt, dass Präzision und Genauigkeit nicht unbedingt die Dinge sind, für die diese Stadt weltberühmt ist. Das Drama beim U-Bahn-Bau, als infolge von Konstruktionspfusch das Kölner Stadtarchiv einstürzte, der Umgang mit diversen Parteispenden- und Bestechungsaffären, das ungeschriebene Kölsche Grundgesetz: "Et hätt noch immer jot jejange" - all diese Punkte sprechen jedenfalls klar dagegen.

Nebel in Köln

Rührt an der Kölschen Identität: 20 Zentimeter kürzer als bisher gedacht ist der Nordturm des Kölner Doms, 9 Zentimeter niedriger der Südturm.

(Foto: dpa)

Aber das scheint sich zu ändern, denn gerade sorgt in der Stadt eine ganz präzise gemessene Zahl für Aufregung: 20 Zentimeter. Genau soviel ist der Nordturm des Kölner Doms kürzer als bisher angenommen. Im offiziellen "Domführer" wird alljährlich Millionen von Touristen die Zahl 157,38 Meter präsentiert. Tatsächlich zeigen drei verschiedene Messungen aus den letzten Jahren, dass es nur 157,18 Meter sind. Der Südturm misst demnach 157,22 Meter - immerhin noch neun Zentimeter weniger als bisher angenommen.

Die erste Messung fand 1985 auf Wunsch des damaligen Dombaumeisters Arnold Wolff statt, der wissen wollte, ob sich im Laufe der Jahrzehnte die Bausubstanz des Doms verändert. Im Jahr 2000 und in diesem Jahr wurde noch einmal nachgemessen, immer vom gleichen Bezugspunkt aus: dem Dom-Fußboden vor der Mittelsäule des Westportals.

20 Zentimeter, das ist nur etwas länger als ein handelsübliches Kölsch-Glas hoch ist, aber weil ihr Dom den Kölnern heilig ist, versetzt die Zahl die Stadt in Wallung: "Huch! Der Dom schrumpft" titelte der Kölner Express, und die Bild überlegte laut, ob die Kathedrale angesichts ihres Schrumpfkurses irgendwann im Boden versinken wird.

Klaus Hardering, der Leiter des Dombauarchivs, will darüber am liebsten gar nicht reden, sondern schwärmt von den Kunstschätzen, die sich im Inneren des Domes verbergen. Er habe doch nur eine flapsige Bemerkung gemacht, am Montag bei der Präsentation des wissenschaftlichen Jahrbuchs des Zentral-Dombau-Vereins. "Da habe ich gesagt, dass nicht nur Menschen im Alter schrumpfen, sondern wohl auch Kathedralen."

Diesen Satz würde Hardering heute so nicht mehr sagen, eingedenk der Besorgnis um die Standfestigkeit des Doms, die er damit auslöste. Jetzt versucht er zu beruhigen: Zwar sei es wohl so, dass Faktoren wie Kälte und Wärme oder die Ausdehnung von Materialien die Höhe der Türme beeinflussen könnten. Die nun festgestellten niedrigeren Höhenwerte hätten aber nichts mit einer "Schrumpfung" des Doms zu tun, sondern mit unterschiedlichen Messverfahren und Bezugspunkten: "Keiner weiß so genau, aus welchem Jahr die bisherigen Zahlen stammen, vielleicht war es 1911, vielleicht noch früher, sagt Hardering. "Dabei war die Basis bei den Messungen möglicherweise unterschiedlich angesetzt. Der Dom-Fußboden und die Domplatte haben andere Nullpunkte, und man kann auch noch tiefer ansetzen."

"Die eigentliche Sensation ist, dass die beiden Türme nach den neuen Messungen nur eine Höhendifferenz von vier Zentimetern aufweisen", sagt Michael Hoffmann, der Präsident des Zentral- Dombau-Vereins. "Nur vier Zentimeter bei einem Bauwerk, das 1880 vollendet wurde - das ist nichts. Eine erstaunliche und sehr beachtliche Leistung", sagt Hoffmann. Seine Erklärung: Die Messungen an dem Kölner Wahrzeichen seien präziser als in den Jahren zuvor und mit neuer Technologie durchgeführt worden.

Verantwortlich für die Messungen ist Bernd Sager, Mitarbeiter des früheren Landesvermessungsamtes Nordrhein-Westfalen, das mittlerweile zur Kölner Bezirksregierung gehört. "Das Bauwerk als solches ist stabil", sagt er und bestätigt, dass die 20 Zentimeter rein dem Messverfahren geschuldet seien. Die Messung sei ein kompliziertes trigonometrisches Verfahren. "Man muss sich eben einigen", nicht nur über den Nullpunkt am Boden, sondern auch über den Bezugspunkt an den Turmspitzen.

Klaus Hardering vom Dombauarchiv überlegt jetzt, nochmal eine eigene Messung in Auftrag zu geben und dabei einen objektiven Nullpunkt festzulegen, um in Zukunft verbindliche Ergebnisse zu bekommen. An den jetzt veralteten Zahlen in Domführern und Touristen-Broschüren will Hardering aber erstmal nichts ändern. "Wir werden jetzt auf die Schnelle nichts umändern, vielleicht schreiben wir in Zukunft einfach 157 Meter." Das würde dann auch wieder der Kölschen Art nach etwas weniger Präzision entsprechen.

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