Köln:Neues Buch über Natascha Kampusch darf verbreitet werden

Natascha Kampusch

Natascha Kampusch im Jahr 2013 bei der Premiere des Films "3096 Tage".

(Foto: Ronald Zak/AP)

Das Entführungsopfer wollte das verhindern Natascha Kampusch verliert vor Gericht: Sie wollte die Verbreitung eines Buches über ihre Person verhindern.

Von Cathrin Kahlweit

Natascha Kampusch droht nach einer Verhandlung vor dem Kölner Landgericht am Mittwoch eine herbe Niederlage einstecken zu müssen. Die Österreicherin will per einstweiliger Verfügung verhindern, dass der Münchner Riva-Verlag ein Buch des Autors Peter Reichard weiter ausliefert, das vor einigen Wochen unter dem Titel "Der Entführungsfall Natascha Kampusch - die ganze beschämende Wahrheit" erschienen ist.

Die heute 28-Jährige war, wie weithin bekannt, 1998 auf dem Schulweg gekidnappt worden. Der Entführer, Wolfgang Priklopil, hielt das Mädchen mehr als acht Jahre in einem Verlies unter seinem Haus in Niederösterreich gefangen und misshandelte es schwer. 2006 gelang der jungen Frau die Flucht. Stunden später wurde der Entführer von einem Zug überfahren; die Ermittler erkannten auf Selbstmord.

Nun sollte, am Schluss von Reichards Buch, etwas relativ Neues erzählt werden: Der Epilog enthält, in erzählerischer Form aufgearbeitet, den Inhalt von Videos, die der Entführer im Laufe der Jahre von Kampusch machte und die nie an die Öffentlichkeit gelangt waren. Kampuschs Anwalt argumentierte, seine Mandantin hätte nichts von der Aufnahme der Video-Protokolle in das Buch gewusst und auch nicht genug Zeit gehabt, sich später, als Reichard ihr das Manuskript vorlegte, damit auseinanderzusetzen. Die Videos seien demütigend, und Kampusch könne kein Interesse an ihrer Verbreitung haben.

Autor Peter Reichard, ein ehemaliger Hamburger Kriminalbeamter und Dokumentarfilmer, der Kampusch aus einer früheren Zusammenarbeit kennt, wies die Vorwürfe immer weit von sich. Natürlich sei Kampusch eingebunden gewesen, natürlich habe er ihr davon erzählt, dass er die Videos benutzen werde, und sie habe bei einem Besuch in Wien, bei dem er ihr den Text vorgelegt habe, tagelang Zeit gehabt, sich das alles anzuschauen. Kritik an seiner Arbeit sei erst später aufgekommen, sagte Reichard der SZ, als sein Buch in offensichtliche Konkurrenz zu einem Buch geriet, das Kampusch selbst demnächst auf den Markt bringen will.

Wirtschaftliche Interessen Grund für die Klage?

Der Riva-Verlag war schon vor Prozessauftakt in die Offensive gegangen und hatte erklärt, man habe Natascha Kampusch ausreichend in die Entstehung des Buches eingebunden, "alle Änderungswünsche wurden erfüllt". Man vermute hinter der Klage vielmehr wirtschaftliche Interessen, da im Sommer das Buch "10 Jahre Freiheit" auf den Markt kommen solle.

Der Vorsitzende Richter am Kölner Landgericht, Dirk Eßer, sagte dann in der Verhandlung am Mittwochnachmittag, die Pressekammer neige dazu, die Klage von Kampusch abzuweisen. Diese habe einerseits in ihrem eigenen Buch "3096 Tage", das schon vor mehr als fünf Jahren erschienen war, ähnliche Szenen beschrieben, wie es Reichard nun am Schluss seiner chronologischen Abhandlung des Falles Kampusch tat. Außerdem sah das Gericht offenbar die Frage der Dringlichkeit nicht gegeben und zögerte daher auch, eine einstweilige Verfügung zu erlassen. Kampusch selbst war nicht persönlich zu dem Prozess erschienen. Der Fall wird in Köln verhandelt, weil die Klage dort eingereicht worden ist. Das Urteil wird in den kommenden Wochen ergehen.

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