Süddeutsche Zeitung

Nach Rauswurf vor Operation:"Absolut absurd, völlig lebensfremd"

  • Im Fall einer umstrittenen Kündigung eines Chirurgen unmittelbar vor einer Operation in der Klinik Köln-Merheim hat es vor Gericht keine Einigung gegeben.
  • Der Arzt fordert seine Weiterbeschäftigung, für die Klinik kommt das nicht infrage.
  • Vor dem Kölner Arbeitsgericht machen sich beide Seiten neue Vorwürfe.

Von Benedikt Müller, Köln

Mohammad Maarouf sucht an diesem Vormittag die große Bühne. "Ich bin Neurochirurg", sagt der 56-Jährige vor eigens angereisten Kamerateams, "ich will Patienten behandeln." Eine lange Liste an Patienten warte auf ihn, den international gefragten Arzt. "Das geht bei mir richtig auf die Substanz." Denn Maarouf darf vorerst nicht arbeiten, das städtische Krankenhaus Köln-Merheim hat ihm fristlos gekündigt. Und zwar derart fristlos, dass der Medizin-Dozent einen bereits fixierten und betäubten Patienten an jenem Tag im Juli nicht am Hirn operieren konnte. Der Fall wurde vorige Woche bekannt und machte bundesweit Schlagzeilen.

Nun hat das Arbeitsgericht Köln eruiert, ob sich Maarouf und Klinik nicht gütlich einigen könnten. Doch stattdessen machen sich beide Seiten nur neue Vorwürfe.

So berichtet der Anwalt des Krankenhauses, dass Privatdozent Maarouf seinen Medizinstudenten bei früheren Operationen "eigenständig wesentliche Aufgaben" überlassen habe. "Er war teilweise nicht dabei anwesend." Dabei habe es in zwei Fällen Komplikationen gegeben. Von einem Blutdruckabfall ist in einem Fall die Rede, die Operation habe abgebrochen werden müssen, der Patient nachoperiert werden. Die Klinik habe da eine Fürsorgepflicht gegenüber ihren Patienten, argumentiert der Jurist. "Herr Doktor Maarouf" hingegen sei seiner Verantwortung "nicht immer nachgekommen".

Dessen Anwalt weist das brüsk zurück. Es sei doch ganz normal, dass ein Dozent angehende Chirurgen bei Eingriffen zuschauen lasse. Aber die Behauptung, dass Studenten ohne Aufsicht mitoperiert hätten, sei "absolut absurd, völlig lebensfremd und durch nichts bewiesen". An dem einen Blutdruckabfall seien Probleme mit der Narkose schuld gewesen, sagt der Jurist, für den anderen Zwischenfall könne das Krankenhaus nicht mal ein Datum nennen. Und überhaupt sei es der Narkosearzt, der in einem anonymen Schreiben an die Klinikleitung all die kruden Vorwürfe gegen Maarouf in die Welt gesetzt habe.

Wer vor Gericht nicht zur Sprache kommt, ist der 60-jährige Patient aus Katar, der an jenem Juli-Montag auf seinen Hirnschrittmacher wartete. Doch weil Maarouf nach seiner Kündigung nicht in den Operationssaal zurückgehen und den Schädel öffnen durfte, wurde der Parkinson-Patient zwei Tage später im Kölner Universitätsklinikum operiert. Musste das wirklich sein?

Nein, sagt der Anwalt des Krankenhauses: Der Klinikleiter habe Maarouf schon an dem Freitag davor angerufen und für Montag, neun Uhr, zum Gespräch beordert. "Bitte sagen Sie alle Operationen ab", soll der Chef noch gesagt haben, seine Sekretärin schickte eine Mail-Einladung hinterher. Dennoch habe Maarouf am Montag um 7:45 Uhr "weisungswidrig" mit den Vorbereitungen jener mehrstündigen Hirn-OP begonnen, so der Vorwurf, er selbst sei daher für den Abbruch verantwortlich.

Zwar bestätigt Maaroufs Anwalt nun, dass die Mail der Sekretärin eingegangen sei. Darin stehe aber weder etwas von einer Kündigung, noch davon, dass der Chirurg Eingriffe absagen sollte. "Er dachte, er müsse nur schnell etwas in der Verwaltung erledigen", so der Jurist, "während die Operation weiter vorbereitet wird."

Maarouf lauscht dem Diskurs der Anwälte mit ernster Miene. Bis der Richter nach knapp einer halben Stunde konstatiert, dass sich die Parteien offenbar nicht einig würden. "Dann ist die Güteverhandlung gescheitert", spricht er in sein Diktiergerät.

Maarouf will weiter darauf klagen, dass er im Klinikum bleiben kann. "Mein Ziel nach wie vor: die Patienten zu behandeln", sagt er nach dem Termin. Das Gericht will Mitte Dezember in dem Fall verhandeln und dann auch Zeugen hören.

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