SZ-Kolumne "Bester Dinge":Truthahn mit Bäh

(Foto: Monkey Business 2/Imago)

Künstliche Intelligenz kann nicht nur Gedichte schreiben, sondern auch Rezepte entwerfen. Aber schmeckt das Essen dann auch?

Von Violetta Simon

"Was gibt es zu essen?" Eine harmlose Frage, die bei vielen jedoch Stresspickel verursacht, wenn der wichtigste Feiertag des Jahres bevorsteht. US-Amerikanern geht es da vor Thanksgiving nicht anders als in Europa lebenden Menschen zur Vorweihnachtszeit: Die Erwartung der anderen ist groß, die an sich selbst am größten.

Manche würden jetzt in Rezeptbüchern blättern. Forscher und Informatiker hingegen raten, künstliche Intelligenz zu nutzen. KI kann schließlich Gedichte im Stile Oscar Wildes schreiben und über Klimapolitik diskutieren. Da wird ein bisschen Hilfe in der Küche ja wohl drin sein. In der Tat liefern KI-Programme nicht nur in Sekundenbruchteilen passende Rezepte. Sie ergänzen diese sogar mit Fotos und persönlichen Notizen - okay, mit erfundenen.

Ob das für ein Festtagsessen zu Thanksgiving reicht, wollte nun die Redaktion der New York Times wissen. Eine Food-Autorin ließ sich von einer GPT-3-Technologie ein Menü entwerfen, stellte sich in die Küche und servierte das Ergebnis vier Kochkolumnisten. Das Urteil: verheerend. Die Vorspeise ein grasiger Brei, die Füllung erinnerte an "Obstkuchen, der in eine Kneipenschlägerei geraten war". Der Truthahn, trocken und öde, hatte eine einzige Knoblauchzehe und keinerlei Fett abbekommen.

Die KI weiß viel - kann aber noch lange nicht alles. Und so waren die Food-Expertinnen am Ende äußerst zufrieden: "Wir sind nicht arbeitslos!", jubelten sie. Sehen wir also dem Festtagsmenü gelassen entgegen in der Gewissheit, dass die wichtigsten Zutaten nur der Mensch hinzufügen kann: gesunden Verstand und Liebe.

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