Australien:Abschied vom Koala-Kuscheln

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Der heutige König Charles III. und seine Frau Camilla kuscheln 2012 mit Koalas in Adelaide, Australien. (Foto: Morne de Klerk/AP)

König Charles, Papst Johannes Paul II., Wladimir Putin, Barack Obama, Roger Federer, Taylor Swift – alle hatten sie in Australien schon mal einen Koala vor der Brust. Doch damit ist nun Schluss – zumindest im ältesten Koala-Park.

Von Thomas Hahn

Wenn die Koalas in Queensland anfangen würden, irgendwelche Arbeitskämpfe zu führen, hätte Steven Miles kein Verständnis dafür. Davon kann man wohl ausgehen, seit der Ministerpräsident des australischen Bundesstaates etwas zur aktuellen Koala-Debatte gesagt hat. Die internationale Tierschutzorganisation World Animal Protection (WAP) fordert von seiner Regierung, das kommerzielle Kuscheln von Menschen mit Koalas zu verbieten. Miles findet das übertrieben. Er gehört zur sozialdemokratischen Labor-Partei, er sollte also ein gewisses Gespür für Lücken im Arbeitsrecht haben. Aber Queenslands Koalas können sich aus seiner Sicht nicht beschweren, für deren Schonung sei gesorgt. Mehrere Medien zitierten Steven Miles mit dem Satz: „Als ich noch Umweltminister war, habe ich immer den Witz gemacht, dass unsere Koalas gewerkschaftlich so gut organisiert sind wie nirgends sonst.“

Der damalige australische Premier Tony Abbott (links) und der damalige US-Präsident Barack Obama schmusten zur Einstimmung auf das G-20-Treffen in Brisbane 2014 mit zwei Koalas. (Foto: Andrew Taylor / Handout/picture alliance / dpa)

Der Koala, Phascolarctos cinereus, ist ein Alleinstellungsmerkmal Australiens, denn es gibt ihn nur dort. Er ist für die Menschen des Kontinents außerdem so etwas wie das Beuteltier der Herzen, weil er so niedlich gucken kann und nicht so sprunghaft ist wie das Känguru, ein weiterer typischer Vertreter der australischen Fauna. Koalas sind harmlos und ein wenig langsam – und in zwei Bundesstaaten, in South Australia und eben in Queensland, sind die Gesetze so lax, dass man diesen Umstand publikumswirksam vermarkten kann. Zoos und Wildparks verkaufen dort Quality Time mit Koalas und nutzen die Tiere auch sonst zu PR-Zwecken. Bilder von Prominenten mit Koala im Arm könnten ganze Fotobuchserien füllen, so viele davon hat die Menschheitsgeschichte über die Jahrzehnte hervorgebracht. Papst Johannes Paul II., Wladimir Putin, Barack Obama, Roger Federer, Taylor Swift – alle hatten sie in Queensland schon mal einen Koala vor der Brust.

Auch Angela Merkel durfte vor dem G-20-Treffen 2014 mal streicheln. (Foto: imago stock&people/imago/ZUMA Press)

Aber allmählich scheint das Bewusstsein zu wachsen, dass man auf die Koalas besser aufpassen muss. Stadtentwicklung, Kahlschlag für die Landwirtschaft und Waldbrände infolge des Klimawandels bedrohen sie. In Queensland, New South Wales und im Australian Capital Territory um die Hauptstadt Canberra stehen Koalas seit 2022 auf der Liste der bedrohten Tierarten.

Und selbst in Queenslands Koala-Vermarktung findet vereinzelt ein Umdenken statt. Das Lone Pine Koala Sanctuary in Brisbane, nach eigenen Angaben Australiens ältester Koala-Schutzpark, macht dieser Tage Schlagzeilen, weil es Besuchern künftig nicht mehr erlaubt, Koalas auf den Arm zu nehmen. Der Grund? Die Kundschaft selbst sehe die körperliche Nähe zu den Koalas zunehmend kritisch. Besucherinnen und Besuchern reiche es mittlerweile, australischen Tieren dabei zuzusehen, „wie sie das tun, was sie am besten können: essen, schlafen, entspannen“, erklärt Generalmanager Lyndon Discombe. „Wir freuen uns darüber.“

„In einer idealen Welt hätten Koalas überhaupt keinen Kontakt mit Menschen.“

Aber die Umstellung ist nur eine private Entscheidung des Lone Pine Koala Sanctuary. WAP-Tierschützer finden, Queensland sollte das Koala-Kuscheln grundsätzlich verbieten. Koalas sind keine sozialen Wesen und schlafen 20 Stunden am Tag – körperliche Nähe zu wildfremden Menschen bedeute zu viel Stress für sie. „Die Zukunft des Wildlife-Tourismus ist, Tiere dort zu sehen, wo sie hingehören: in der Wildnis“, sagt Suzanne Milthorpe vom australischen WAP-Büro. „Stressige Selfie-Begegnungen sind von gestern, Touristen sehen immer mehr davon ab. Die Tourismus-Industrie sollte sich anpassen.“ Vom International Fund for Animal Welfare, einer anderen Tierschutzorganisation, ist sogar zu hören: „In einer idealen Welt hätten Koalas überhaupt keinen Kontakt mit Menschen.“

Prinz Harry und seine Frau Meghan streicheln 2018 einen Koala im Zoo von Sydney. (Foto: Dominic Lipinski/AP)

Queenslands Regierung reagiert unbeeindruckt. Auf Anfrage des britischen Senders BBC teilt sie mit, dass man nicht vorhabe, das Gesetz für die Koalas zu ändern. Ein Koala darf demnach weiterhin auf den Arm genommen und fotografiert werden, aber natürlich nur im Rahmen der koalarechtlichen Vorschriften, die in Queensland gelten. Demnach steht jedem Koala nach drei Tagen als Foto-Motiv ein freier Tag zu, es gilt die 180-Minuten-Woche und eine Tagesschicht darf nicht länger als 30 Minuten dauern. Für Ministerpräsident Steven Miles ist damit sichergestellt, dass sich kein Koala in Queensland überarbeitet – oder wie er vielleicht witzeln würde: Die Koala-Gewerkschaft hat einen ziemlich guten Tarifvertrag ausgehandelt.

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