Süddeutsche Zeitung

Ein Anruf beim Klo-Museumsdirektor:Wie die Römer das damals so gemacht haben

Eine Ausstellung im Römerkastell Saalburg informiert über die Geschichte des Toilettengangs. Der Museumsdirektor erklärt, warum die Menschen das interessiert.

Interview von Max Sprick

Vor 2000 Jahren bewachte das Römerkastell Saalburg bei Bad Homburg den Limes, die Grenze des Römischen Weltreiches. Heute ist das einstige Kastell rekonstruiert und ein Museum, das die Lebensweise der antiken Römer präsentiert. Nicht nur mit archäologischen Funden und inszenierten Räumen, wie es sie auch bei anderen Ausgrabungsstellen gibt. Nun auch mit einer Sonderausstellung, die nicht nur ein spezielles Thema, sondern auch entsprechenden Titel trägt.

SZ: "Drauf geschissen"?

Carsten Amrhein: Bitte vergessen Sie nicht den Untertitel unserer Ausstellung!

Na gut, dann erzählen Sie doch mal über "eine kleine Kulturgeschichte des stillen Örtchens".

Ohne diesen Zusatz wäre der Ausstellungs-name ja nur plakativ. Mir ist aber wichtig zu betonen, dass wir hier über eine ernsthafte Ausstellung sprechen - auch wenn die sicher mit einem Augenzwinkern gestaltet wurde.

Wie kommt man darauf, eine Ausstellung über das, wie Sie es nennen, "Scheißen" zu entwickeln?

Sie könnten auch "defäkieren" sagen, das ist die ästhetischere Variante. Nun, bei den Führungen hier auf der Saalburg fragen erstaunlich viele Besucher, wie die Römer das denn damals so gemacht haben. Mehr als 1000 Menschen haben hier gelebt, wo haben die hingemacht, wie war das organisiert?

Googelt man ein bisschen, findet man erstaunlich viele Artikel zu diesem Thema. Die Hygiene im Römischen Reich hat einen eigenen, umfassenden Wikipedia-Eintrag.

Eben. Das ist eine wirklich ganz wichtige Frage. So richtig hat die Forschung zu diesem Thema übrigens erst vor Kurzem begonnen, als man endlich mal einen noch intakten Nachttopf gefunden und diesen als solchen identifiziert hat.

Wie gelang das?

Naja, man konnte den Inhalt eindeutig als menschliche Fäkalien nachweisen. Seitdem ging die Jagd auf römische Nachttöpfe los. Allein in Carnuntum, an der Donau in Österreich, hat man 20 bis 30 gefunden. Daran sieht man, dass auf dem Land der Nachttopf die gängige Art der Toilette war. Dass es ihn in den Städten auch gab, weiß man dank des Satirikers Juvenal.

Dessen Schriften aus dem ersten Jahrhundert gewähren Einblick in das Alltagsleben Roms.

Er berichtet unter anderem von einem nächtlichen Spaziergang durch die Stadt. Da ist er froh, dass ihm nur der Inhalt eines Nachttopfes auf den Kopf gefallen sei, nicht der Topf selbst. Sonst wäre er hinüber gewesen. Also Juvenal selbst, nicht der Topf.

Haben Sie eine Erklärung, warum um Himmels Willen die Menschen von heute der Toilettengang der Menschen von vor 2000 Jahren interessiert?

Zum einen gibt es eine Menge Literatur der Römer über ihre Verdauung. Über Rezepte und Medikamente, was man wie zubereiten und einnehmen sollte, um Verdauung und Gesundheit zu optimieren. Zum anderen wurde die erste große, moderne Kanalisation erst im 19. Jahrhundert in London gebaut. Die Cloaca Maxima des antiken Roms wirkt da sehr fortschrittlich. Im Vergleich zum Mittelalter ist sie das El Dorado der Hygiene.

Und das berührt den modernen Menschen?

Es ist ja so: Im antiken Rom war das Reden über Verdauung an sich und der Toilettengang im Speziellen gesellschaftlich absolut üblich. Die Leute saßen zum Teil in großen Gruppen nebeneinander und einander gegenüber auf Latrinen. Dieses Schamgefühl, das wir beim Thema Toilette entwickeln, das kam erst mit dem christlichen Mittelalter auf.

Diesem Schamgefühl verdanken Sie aber auch zum Teil Ihre Ausstellung.

Wir haben viele Ausstellungsstücke von der GmbH Staatliche Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen übernommen, das stimmt. Die bekamen auf Schloss Rochlitz auch immer die Frage nach der Hygiene zu hören und haben sich dann aus einem ganz pragmatischen Grund zu der Ausstellung entschlossen: Sie hatten überlegt, wie sie mehr Besucher in ihre Burg bekommen.

Sie haben diese Ausstellung auf der Saalburg um die Antike erweitert, zeigen insgesamt 80 Stücke zum Thema. Wo haben Sie die herbekommen?

Wir haben archäologische Museen angeschrieben und dann bestimmte Stücke als Leihgabe erhalten. Die Direktoren waren immer erst mal erstaunt, haben aber dann gesagt: Ein wichtiges Thema, dazu sollte man wirklich etwas machen. Bei den meisten Museen standen die Nachttöpfe im Magazin und wurden gar nicht ausgestellt.

Dafür präsentieren Sie sie nun mit einem derben Titel.

Ich muss zugeben, dass ich anfangs auch meine Bedenken hatte. Der Titel ist schon etwas knallig.

Wie waren die Reaktionen bislang?

Ausschließlich wohlwollendes Schmunzeln. Und unsere Ausstellung geht noch bis zum 20. Oktober. Wer sie anschauen möchte, hat also noch viel Zeit. Sollte man sich ja auch beim Geschäft nehmen.

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Quelle:
SZ vom 17.04.2019/moge
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