Kleinwüchsige Schauspieler:Gigantisch

Lesezeit: 2 min

Am Mittwoch haben wir in der "Süddeutschen Zeitung" sowohl in der gedruckten und digitalen Ausgabe als auch online den verstorbenen Schauspieler Michu Meszaros gewürdigt, der in der Fernsehserie "Alf" den gleichnamigen zotteligen Außerirdischen spielte. In dem Nachruf gab es Formulierungen, die bei etlichen Leserinnen und Leser Unverständnis oder sogar Empörung hervorgerufen haben. Insbesondere kleinwüchsige Menschen fühlen sich verunglimpft, weil an einer Stelle von "Zwergen" die Rede ist und weil sie sich durch Vergleiche diskriminiert sehen. Die Absicht des Textes war, menschliche Verschiedenheit als positiv und bereichernd herauszustellen. Doch insbesondere die Verwendung des Wortes "Zwerg" läuft diesem Ziel zuwider, weil es Kleinwüchsige verletzt und sie nicht als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft erscheinen lässt. Das war in keiner Weise beabsichtigt. Wir bedauern, durch missverständliche Formulierungen und Vergleiche die Gefühle von Leserinnen und Lesern verletzt zu haben und bitten hierfür um Entschuldigung.

Von Martin Zips

Das hier ist ein Lob auf die menschliche Verschiedenheit. Mann-Frau-Schwarz-Weiß-Groß-Klein-Dick-Dünn. Alles ist möglich. Und alles ist gut.

Michu Meszaros ist am Wochenende gestorben, in einem Krankenhaus in Los Angeles. Er wurde 76 Jahre alt. Michu Meszaros verdiente sein Geld damit, dass er als Zwerg in Filmen, Serien und Werbespots zu sehen war. Selten tauchte der gebürtige Ungar dabei mit seinem wahren Gesicht vor der Kamera auf. Meist trug er irgendwelche schweißtreibenden Kostüme, zum Beispiel das Fell des Fernseh-Außerirdischen "Alf", den Meszaros vier Jahre lang recht unterhaltsam spielte. Zumindest in den Ganzkörper-Einstellungen, in denen Alf nicht nur als Handpuppe zu sehen war. Meszaros war nur etwa 84 Zentimeter groß. Solche kleinen Leute unterhielten bereits im alten Ägypten die Menschen.

Kleinwüchsige begeistern schon deshalb, weil von ihnen ein märchenhafter Zauber ausgeht. Weil sie wie Erwachsene wirken, die man in Kinderkörper gesteckt hat. Weil sie sich ähnlich komisch bewegen wie die schlaksigen Riesen Stan Laurel oder Jacques Tati. Weil ihre Stimmen piepsen, als hätten sie Helium eingeatmet. Die Tonlage von Kleinwüchsigen ist meist noch höher als die von Frauen. Das ist beeindruckend für all jene, die ihren Stimmbruch überstanden haben.

Natürlich haben sich Kleinwüchsige wie Michu Meszaros nicht aus freien Stücken gegen das Wachstum entschieden. Sehr oft sind sie alles andere als glücklich darüber, so auffällig von der sogenannten Norm abzuweichen. Doch was ist schon die Norm? Eine langbeinige, aufgespritzte Blondine? Ein dicker Macho im Tweedsakko?

Meszaros trat oft im Zirkus auf. Während einer Cowboy-Nummer ritt er einsam auf einem Shetland-Pony. Er werde immer nur dann sauer, wenn er gefragt werde, welche Probleme er denn so im Alltag habe, sagte er einmal. "Die Leute brauchen wirklich nicht glauben, bei mir im Kopf gehe es zu wie in einer Jahrmarktbude. Ich bin einfach nur ein bisschen kleiner."

Danke, Michu Meszaros! Dank an alle kleinwüchsigen Helden, von denen wir nur ein paar auf dieser Seite würdigen können. Sie alle haben uns mit ihrer Kunst glücklich gemacht. Ein großes Lob an die wunderbare Christine Urspruch, die "Alberich"-Darstellerin aus dem Tatort Münster. Dank an alle Hobbits, Liliputaner, Schlümpfe und Zwerge. Dank an den großen kleinen Jazz-Pianisten Michel Petrucciani (1962 bis 1999), der einst das Publikum so begrüßte: "Ich bin der erste klavierspielende Comicstrip der Welt." Gigantisch. Und Dank an Thomas Quasthoff, weil er 2010 "Short People" von Randy Newman noch einmal großartig neu interpretierte. Ein Lied, wegen dem Newman einst Morddrohungen erhielt und mit Eiern beworfen wurde. Obwohl es ihm um nichts anderes ging als um die Verhohnepipelung stupider menschlicher Ausgrenzungsfantasien.

Oskar Matzerath stellte in der "Blechtrommel" aus Protest gegen die politisch wie menschlich völlig verrannte Erwachsenenwelt das Wachstum ein. Wenn man sich heute politisch so umschaut, würde man auch am liebsten schrumpfen. "Lord, what fools these mortals be", lässt Shakespeare den Waldkobold Puck im Sommernachtstraum sagen. Herrgott, was sind die Sterblichen für Idioten.

© SZ vom 15.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: