Kirchentag:Protest gegen Militäreinsätze im Ausland

Für Kritiker hat der Schwund nicht nur äußere Gründe. Der Kirchentag schmore zunehmend im eigenen Saft, hat der evangelische Staatskirchenrechtler Hans Michael Heinig ziemlich scharf vor dem Kirchentag in der Zeit-Beilage Christ und Welt geschrieben: Ohnehin schon Überzeugte bestätigten sich selbst in ihrem Moralüberschuss, das Treffen diene der Selbststärkung der engagierten Gruppen - und weniger, um in Welt und Gesellschaft hineinzuwirken.

Das ist ein bisschen böse, weil der Kirchentag auch immer dazu diente, die Schwestern und Brüder zu stärken, die sich zu Hause als engagierte Christen zunehmend in der Minderheit sehen. Und gerade in Berlin hat sich das Vorbereitungsteam einige Mühe gegeben, um der Kritik zu begegnen, die es schon seit einigen Jahren gibt: dass das Treffen zwar vielfältig ist, den Streit aber meidet.

Das Christentreffen hat sich, anders als der Katholikentag, an die Frage gewagt, wie sich das Christsein und das Engagement mit der AfD verträgt; der Berliner Bischof Markus Dröge und die AfD-Vertreterin Anette Schultner redeten tapfer aneinander vorbei. Ein Podium stritt, viel direkter als der Großimam und der Innenminister, über mögliche Reformen im Islam. Und bei Verteidigungsministerin Ursula von der Leyens Bibelarbeit seilten sich Friedensaktivistinnen ab und protestierten gegen Militäreinsätze im Ausland. Ganz falsch ist Heinigs Kritik aber nicht: Jemand, der in der Asyldebatte eine Flüchtlingsobergrenze fordert, findet sich im Programm nicht.

Dafür gibt es neue Mitmach-Formen, Planspiele zum Beispiel. Der Plot: In der fiktiven Kleinstadt Bad Oderraus stehen auf einmal zwei Vertreter einer Partei zur Wahl, die ihren Kritikern als rechtspopulistisch gilt. Was nun? Tolerant sein? Oder intolerant gegenüber der Intoleranz?

Am Freitagnachmittag diskutieren sich in der Berliner Messe 80 Menschen die Köpfe heiß - sie haben verschiedene Rollen auszufüllen: den Pfarrer, der Frieden in der Gemeinde will, die Jugendlichen, die heftig protestieren, der Kirchenvorstand, der sagt: Was geht mich das an? Gar nicht so einfach, die richtigen Argumente zu finden. Am Ende steht der Kompromiss: Die beiden dürfen kandidieren - und es gibt eine Vortragsreihe zum Thema Toleranz.

Eine Demokratie-Übung. Vielleicht die Zukunft des Christentreffens.

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