Franziskus oder Tebartz-van Elst? Der bescheidene Papst und der verschwenderische Bischof von Limburg haben vergangenes Jahr die Berichte über die katholische Kirche beherrscht, die zwischen Euphorie und Empörung schwankten. Die Austrittszahlen von 2013 zeigen nun: Franziskus mag die Menschen erfreuen - die Fakten aber hat Franz-Peter Tebartz-van Elst gesetzt.
Im zweiten Halbjahr, so sagt es der Münchner Kardinal und Vorsitzende der Bischofskonferenz Reinhard Marx, sei die Anzahl der Austritte stark angestiegen - dass da der Skandal in Limburg losging, hat er höflich unerwähnt gelassen. Die Zahlen sind wieder so hoch wie 2010, als das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs in der Kirche offenbar wurde. Das ist erneut ein Misstrauensvotum.
Es sind diesmal nicht nur die gegangen, die so übers Jahr hinweg gehen, weil sie schon lange nichts mehr mit der Kirche verbindet. Diesmal sind auch viele gegangen, die sich zu dieser Kirche zugehörig fühlten. Sie haben sich im Zorn getrennt, enttäuscht, nicht weil sie Geld sparen wollten oder ihnen die Sache mit Gott sowieso egal ist.
Das sind die wahren Kosten des Skandals um den schicken Bau auf dem Limburger Domberg. Er hat weniger Geld als vielmehr Vertrauen vernichtet. Die strukturelle Unwahrhaftigkeit, die da sichtbar wurde, hat Engagement zerstört und Sympathie in Ablehnung verwandelt; dies ausgerechnet in einem Jahr, in dem das Tal der Tränen durchschritten zu sein schien. Doch erst der Sex-Skandal und jetzt das Geld - das war vielen Katholiken zu viel.
Was der Kirche schwer zusetzte
Interessanterweise gab es in Limburg zwar 80 Prozent mehr Austritte als im Jahr zuvor - in Hamburg oder Berlin sind aber prozentual mehr Katholiken ausgetreten als dort; am niedrigsten liegt die Quote übrigens diesmal in Passau und Regensburg.
Das ist die andere Botschaft aus den für die Kirche desaströsen Zahlen: Die Säkularisierung Deutschlands geht weiter, der Traditionsabbruch in Städten wie Hamburg und Berlin - und er wäre auch weitergangen, wenn Tebartz-van Elst in eine Sozialwohnung mit Regalen aus Apfelsinenkisten gezogen wäre.
Wohin der Prozess führen wird, ist kaum vorherzusagen: Wird er sich verlangsamen, wenn nur noch die Hälfte aller Deutschen Christen sind? Wird es einen weitgehend christenfreien Norden und Osten und einen christlich geprägten Süden und Westen geben? Wie viele der Konfessionslosen werden irgendwie religiös sein - und wie viele echte Heiden?
Immer noch gibt es mehr als 24 Millionen Katholiken und mehr als 23 Millionen Protestanten in Deutschland; noch sehr lange werden die Kirchen die größten Institutionen des Landes sein. Aber sie werden sich sehr ändern müssen.
Glaubwürdig werden sie nicht mehr sein, weil sie große, alte und ehrwürdige Institutionen sind. Glaubwürdig wird sein, was sie sagen und tun, wie ihre Repräsentanten und Mitglieder leben, wie transparent sie sind, wie sie mit Geld und Menschen umgehen. Da ist es immerhin ein Zeichen, dass die Bischofskonferenz erstmals die Austrittszahlen zentral veröffentlicht hat. Da ist es ein noch wichtigeres Zeichen, dass das Bistum Limburg erstmals eine echte Bilanz vorgelegt hat. Mehr als eine Milliarde Euro hat die Kirche dort an Geld- und Sachvermögen zur Verfügung - der Zusammenbruch der Institution steht also nicht bevor.
Wir müssen Vertrauen schaffen durch gute Arbeit, hat der Münchner Kardinal Marx seiner Kirche aufgegeben. Das ist gut und richtig, nur: Den Trend wird das nicht umkehren. Es wäre aber auch ein falscher Ansatz, nur deshalb gut und fromm und menschennah sein zu wollen, damit es wieder mehr Eintritte gibt. Das wäre eine narzisstische Grundhaltung: Was müssen wir tun, um besser anzukommen? Diese Haltung macht die Kirche krank - das hat schon Papst Franziskus gesagt.