Kirchen und Politik:Die Kirche ist neuerdings ein unbequemer Partner

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Zorneding: die katholische Kirche mit Ortsschild. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die empörende Geschichte über den Pfarrer aus Zorneding ist ein Einzelfall. Aber sie steht auch für den Grundkonflikt zwischen Kirchen und Konservativen in der Flüchtlingspolitik.

Kommentar von Matthias Drobinski

Empörend ist die Geschichte über den Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende aus Zorneding - und sie ist ein Einzelfall und doch ein Zeichen. Sie ist ein Einzelfall, weil der ausländerfeindliche Ton der Orts-CSU, über die sich der Pfarrer aufregte, nicht der Ton der CSU ist. Und doch steht die Geschichte für den Grundkonflikt, der die christlichen Kirchen und Teile des konservativen Bürgertums entzweit, und der Kirchenleute inzwischen zu Hassfiguren von Pöblern werden lässt: Auch die Bischöfe Ludwig Schick aus Bamberg, Rainer Maria Woelki aus Köln oder Ulrich Neymeyr aus Erfurt werden bedroht und beschimpft, weil sie sich gegen Pegida oder die AfD positioniert haben. Der Streit geht um die Flüchtlinge. Und er geht darüber hinaus darum, wie die Kirchen ihre Rolle in Staat und Politik verstehen.

In der Flüchtlingsdebatte sind die Kirchen Merkels treueste Verbündete

Für die evangelische wie für die katholische Kirche ist die Aufnahme von Flüchtlingen ein Identitätsmerkmal des Glaubens. Das führte schon vor 25 Jahren zum Streit mit der damaligen schwarz-gelben Regierung. Und jetzt, wo die Flüchtlingsdebatte zur großen Zukunftsdebatte wird, führt es dazu, dass die Kirchen Angela Merkels treueste Verbündete sind: Sie lehnen Obergrenzen und Zäune ab, sie fordern eine europäische Lösung - und kritisieren die Regierung, mit welcher Härte sie nun den Gekommenen das Leben schwer macht.

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Entsprechend gereizt ist die Stimmung derzeit vor allem zwischen den Kirchen und der CSU. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx und der bayerische evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm werfen Ministerpräsident Horst Seehofer Populismus auf dem Rücken der Flüchtlinge vor. Aus der CSU schallte es zurück: Die Kirchen sollen erst mal mehr Pfarrhäuser für Flüchtlinge zur Verfügung stellen. Wolfgang Schäuble, der Finanzminister, CDU-Politiker und evangelische Christ, monierte jüngst: Vor allem die evangelische Kirche neige dazu, eine bestimmte Politik zur einzig möglichen christlichen zu erklären; das sei oft sehr selbstgerecht.

Die Bischöfe unterstützen Merkel und kritisieren die Regierung hart

Daran stimmt, dass die Antwort auf die Frage, ab wann ein Land überlastet ist, nicht in der Bibel steht. Hinter Schäubles Kritik steckt aber auch die Wahrnehmung, dass die Kirchen gerade für die Unionsparteien ein unbequemer Partner geworden sind: Sie sehen sich zunehmend nicht als Legitimationskraft für Staat, Regierung, Politiker, sondern als Einspruchsmacht, wenn die Würde des Menschen aus ihrer Sicht in Gefahr ist. Das bringt Kirchen und Politik in ein Spannungsverhältnis: Die Kirchen fordern meist mehr, als Staat und Politik tun - und manchmal mehr, als Staat und Politik ausrichten können. Das allerdings als naiv abzutun, wird der Sache nicht gerecht. Gerade die kirchlichen Sozialträger sind mit den Herausforderungen der Integration Hunderttausender konfrontiert - und in einer Zeit der hilflos hektischen Lösungssuche eher die Vertreter pragmatischer Humanität.

Der Moralüberschuss der Kirchen ist unangenehm für alle, die diese Moral umsetzen sollen. Aber er ist auch notwendig, um zu verhindern, dass sich eine Politik nur auf das Nächstliegende konzentriert oder von Stimmungen leiten lässt. Er macht staatliches Handeln besser - jedenfalls solange die Kirchen nicht arrogant die eigene Sphäre absolut setzen und dabei missachten, dass Politik immer auch die Pflicht zum Kompromiss hat.

Für die Zornedinger CSU-Vorsitzende waren Flüchtlinge teure Invasoren. Für den Pfarrer waren sie Menschen, denen ein Christ helfen muss. Es waren zwei grundverschiedene Blicke auf dieselbe Sache: aus der Perspektive der ängstlich-aggressiven Bewahrung des Eigenen heraus beziehungsweise aus dem Einsatz für die Armen. Was übrigens auch erklärt, warum die AfD und die Kirchen ein grundsätzliches Problem miteinander haben.

© SZ vom 10.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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