Missbrauch in der Kirche:Erstmals räumt ein deutscher Bischof Fehler ein

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  • Heiner Wilmer, der neue Bischof von Hildesheim, will die Missbrauchsfälle in seinem Bistum nun mit Hilfe von außen aufklären.
  • Sein Vorgänger, so Wilmer, habe bei der Aufarbeitung der Übergriffe schwere Fehler gemacht.
  • Auch andere hochrangige Kirchenvertreter fordern eine gründliche Beschäftigung mit den Ursachen sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche.

Von Matthias Drobinski

Zum ersten Mal hat ein katholischer Bischof in Deutschland eingeräumt, dass einer seiner Vorgänger im Umgang mit sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche durch Priester und Ordensangehörige schwere Fehler gemacht hat.

Der seit dem 1. September amtierende Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer sagte dem Norddeutschen Rundfunk, im Fall des Jesuitenpaters Peter R. hätte "der damalige Bischof Josef Homeyer mit seiner Bistumsleitung nicht nur versagt, sondern sie haben fürchterliche Dinge zugedeckt, und das ist eine Katastrophe". Pater R. ist einer der Hauptbeschuldigten im Missbrauchsskandal am Berliner Canisiuskolleg; 2003 wurde er ins Bistum Hildesheim versetzt.

Missbrauchsstudie der Bischofskonferenz
:"Wir haben den Opfern nicht zugehört"

Die Deutsche Bischofskonferenz stellt ihre großangelegte Studie zum sexuellen Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche vor. Der Vorsitzende, Kardinal Marx, übt deutliche Selbstkritik.

Wilmer sage der Kirchenzeitung des Bistums, ein Mitarbeiter habe ihm versichert, dass er die damalige Bistumsleitung über das Verhalten des Jesuitenpaters und über finanzielle Unregelmäßigkeiten unterrichtet habe. Statt in dem Fall tätig zu werden, habe die Bistumsleitung dem Mitarbeiter mit einer Abmahnung gedroht, falls er nicht schweige.

Der neue Bischof kündigte an, die Missbrauchsfälle in seinem Bistum nun mit Hilfe von außen aufklären zu wollen. Man brauche den externen Sachverstand: "Es ist unmöglich, dass Kirche hier nur eine Binnenkultur pflegt", sagt Wilmer.

Auch der Münchner Generalvikar Peter Beer forderte eine gründliche Beschäftigung mit den Ursachen der sexualisierten Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. In einem Beitrag für die konservativ-katholische Wochenzeitung Die Tagespost wandte er sich gegen die These, Homosexualität sei der wichtigste Grund für die Verbrechen. "Wenn man nach den Schuldigen der Krise sucht, dann sollte man bei denen beginnen, die die Täter stoppen und die (weitere) Taten hätten verhindern können", sagte Beer.

Erst vor wenigen Wochen war eine von der Deutschen Bischofskonferenz in Auftrag gegebene Studie veröffentlicht worden, die in Kirchenkreisen erheblichen Wirbel ausgelöst hat. Ein Forscherkonsortium aus Mannheim, Heidelberg und Gießen hatte 38 000 Personalakten ausgewertet und 220 Opfer sexuellen Missbrauchs in der Kirche befragt. Heraus kam ein mehr als 350 Seiten langer Bericht, der den bisherigen Umgang der katholischen Kirche mit Missbrauchsfällen deutlich kritisiert. Die Autoren liefern auch Hinweise, dass die Tabuisierung von Sexualität und Homosexualität sowie der Zölibat zu den Gewalttaten und ihrer Vertuschung beigetragen haben könnten. So würden etwa Diakone, die in der Regel verheiratet sind, deutlich seltener des Missbrauchs beschuldigt als unter dem Zölibat lebende Priester.

Bei ihrer Herbstversammlung in Fulda hatten sich die Bischöfe Ende September zu einer konsequenteren Aufarbeitung der Missbrauchsfälle verpflichtet. Man wolle "mehr als bisher die Begegnung mit den Betroffenen" suchen, hieß es in einer sieben Punkte umfassenden Erklärung. In jedem Bistum solle es externe, unabhängige Anlaufstellen geben. Darauf, die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle ganz nach außen zu geben, wie es einige Teilnehmer gefordert hatten, konnte sich die Bischofskonferenz in Fulda allerdings nicht einigen. Wie die dort diskutierten Veränderungen umgesetzt werden, bleibt den einzelnen Bischöfen überlassen.

Der Beauftragte für Missbrauchsfälle, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, hatte bei der Herbstversammlung angekündigt, dass er regelmäßig untersuchen wolle, wie die Bistümer mit dem Thema umgingen. Ein Vergleich, in dem sich der Hildesheimer Bischof Wilmer nun als erstes positioniert hat.

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