Kindesmissbrauch in Gartenlaube:Verkauft von denen, die sie beschützen sollten

Police Make 11 Arrests In New Paedophile Case

In einer Kleingartensiedlung in Münster sollen sich die Taten ereignet haben.

(Foto: Getty Images)

Münster ist - nach Lügde und Bergisch Gladbach - der dritte große Fall von Kindesmissbrauch in NRW. Die Polizei sagt: Selbst die erfahrensten Beamten stoßen an die Grenzen des menschlich Erträglichen.

Von Jana Stegemann und Kerstin Lottritz

Fassungslos und bestürzt sieht Rainer Furth aus, während der Pressekonferenz in Münster. "Wenn Polizeipräsidenten sich auf Pressekonferenzen zu Wort melden, geht es meistens darum, herausragende Ermittlungserfolge zu vermitteln. Mir geht es um das Leid der Opfer." Der 63-Jährige war zwölf Jahre lang Polizeipräsident von Krefeld, ist seit fünf Monaten Chef der Münsteraner Polizei. Er wolle sein "Entsetzen darüber zum Ausdruck bringen, was meine Mitarbeiter in nur drei Wochen ermittelt haben. Selbst die erfahrensten Kriminalbeamten sind an die Grenzen des menschlich Erträglichen gestoßen - und weit darüber hinaus." Die Polizisten hätten Hunderte von Terabytes auswerten müssen, sagt Furth, von - und jetzt spuckt er seine Worte fast aus - "diesem abscheulichen Dreck".

Die nüchterne Juristensprache ("elf Festnahmen und sieben Haftbefehle wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern") gebe nur "völlig unzureichend die Dimension dessen wieder, was wirklich geschehen ist - mitten unter uns, in unserer Gesellschaft", sagt Furth.

Die Opfer stammen aus dem nahen Umfeld der Tatverdächtigen

Die Polizei Münster hat einen Missbrauchsfall aufgedeckt, der sich über mehrere Bundesländer erstreckt. Es ist nach Lügde und Bergisch-Gladbach der dritte große Fall innerhalb von eineinhalb Jahren in Nordrhein-Westfalen.

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Das Gartenhaus, den mutmaßlichen Tatort, soll die Mutter des Hauptverdächtigen ihrem Sohn überlassen haben, offenbar im Wissen, was dort geschah.

(Foto: Ina Fassbender/AFP)

Drei Jungen im Alter von fünf, zehn und zwölf Jahren konnten bislang als Opfer identifiziert werden. Sie befinden sich nun in der Obhut von Jugendämtern. Elf Tatverdächtige wurden festgenommen, sechs Männer und eine Frau kamen in Untersuchungshaft.

Der Hauptbeschuldigte ist der 27 Jahre alte IT-Techniker Adrian V. aus Münster. Die Frau ist seine 45-jährige Mutter Carina V., die in Münster als Erzieherin in einer Kita arbeitete. Der Staatsanwaltschaft zufolge gibt es aber keine Hinweise auf Taten der Frau an ihrer Arbeitsstelle. Außerdem sitzen fünf weitere Männer zwischen 30 und 43 Jahren aus Staufenberg, Hannover, Schorfheide, Kassel und Köln im Gefängnis.

Die Opfer stammen aus dem nahen Umfeld der Tatverdächtigen: Der Zehnjährige aus Münster ist der Sohn der Lebensgefährtin des 27-Jährigen, der Zwölfjährige ist der Neffe des Beschuldigten aus Kassel und der Fünfjährige ist der Sohn des Tatverdächtigen aus Staufenberg.

Der Junge aus Münster soll von seinem Stiefvater zudem zu Männern in anderen Städten gefahren und ihnen zum sexuellen Missbrauch überlassen worden sein. "Er ist verkauft worden von demjenigen, der ihn behüten sollte", sagte der Chef der Ermittlungskommission, Joachim Poll. Der Beschuldigte aus Köln hat als Einziger zugegeben, den Jungen sexuell missbraucht zu haben.

Adrian V. war 2016 und 2017 in zwei Verfahren zu Bewährungsstrafen wegen der Verbreitung von kinderpornografischem Material verurteilt worden. Seine Auflagen sahen eine Therapie für die von ihm eingestandenen pädophilen Neigungen vor, diese trat Adrian V. auch an. Sein Bewährungshelfer attestierte ihm sogar "eine vertrauensvolle Zusammenarbeit".

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