Kinderschutz:Wenn es zu spät ist

Sie werden geschlagen, manche missbraucht: 2017 wurden mehr als 61 000 Jungen und Mädchen vom Jugendamt in Obhut genommen - ein dramatischer Einschnitt für die Familien. Und doch sind die eigentlichen Dramen die Fälle, in denen niemand klingelt.

Kommentar von Henrike Roßbach

Aus der Sicht vieler Menschen ist die Welt der Zahlen und Statistiken eine staubig-trockene, ähnlich sinnlich wie der Biss in einen sehr alten Zwieback. Ein bewährter Erklärungsansatz ist es daher, auf all die echten Schicksale hinter den Zahlen aufmerksam zu machen. Schmerzhaft ist das im Fall der Inobhutnahmen von Kindern und Jugendlichen durch die Jugendämter. 61 383 gab es im vergangenen Jahr. Jungen und Mädchen, die geschlagen wurden, manche missbraucht. Um die sich überforderte Eltern nicht kümmerten oder die allein ins Land kamen.

Wenn das Jugendamt vor der Tür steht, um die Kinder abzuholen, ist das für die betroffenen Familien ein dramatischer Einschnitt. Und doch sind die eigentlichen Dramen die Fälle, in denen niemand klingelt, von denen man erst erfährt, wenn es zu spät ist. Schnell ist dann von Behördenversagen die Rede, und für kurze Zeit sind auch schon mal die teils absurd hohen Fallzahlen ein Thema, die viele Jugendamtsmitarbeiter auf ihren Schreibtischen liegen haben.

Natürlich gibt es persönliches Versagen. Und es werden sich niemals alle Familiendramen verhindern lassen. Dennoch müssen die Jugendämter besser ausgestattet werden, mit Personal und Geld. Jedes Kind, das nicht in der Statistik auftaucht, ist es wert.

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