Kinderschänder darf überwacht werden:"Räuber-und-Gendarm-Spiel"

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Ein Gericht hat entscheiden, dass die Dauerüberwachung eines Sexualstraftäters rechtens ist. Die Familie des Ex-Häftlings wirft Behörden und Nachbarn Schikane vor.

Ein gefährlicher Straftäter darf auch nach seiner Haftentlassung 24 Stunden am Tag überwacht werden. Das hat das Verwaltungsgericht Aachen heute entschieden. In dem Verfahren ging es darum, ob die dauerhafte Observation eines verurteilten Sexualstraftäters einen zu großen Eingriff in die Privatsphäre darstellt, wie ein Gerichtssprecher sagte.

Die Proteste aufgebrachter Bürger reißen nicht ab, seit Ex-Häftling Karl D. nach Randerath, einem Stadtteil von Heinsberg, gezogen ist. (Foto: ddp)

Der Fall des in Heinsberg wohnenden verurteilten Schwerverbrechers Karl D. hatte bundesweit Schlagzeilen gemacht. Der aus dem oberbayerischen Penzberg stammende Täter hatte bis Ende Februar 2009 eine 14-jährige Haftstrafe verbüßt, weil er zwei 14 und 15 Jahre alte Mädchen vergewaltigt und gequält hatte. Zuvor war er bereits 1984 wegen der Vergewaltigung eines 15-jährigen Mädchens zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt worden.

Karl. D. zog nach seiner Entlassung zu seinem Bruder Helmut ins Rheinland - und löste im Heinsberger 1400-Einwohner-Stadtteil Randerath eine Protestwelle aus. Der Landrat des Kreises Heinsberg ordnete die ständige Beobachtung des Mannes durch die Polizei an. Er wird seit knapp zwei Jahren observiert. Sein Bruder, bei dem der frühere Häftling heute lebt, hatte dagegen Klage eingereicht. Er fühlte sich schikaniert.

Das Gericht teilte die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers nicht. Laut Gutachten sei Karl D. eine Gefahr für die Allgemeinheit. Die Polizeivorschrift für die Überwachung sei rechtmäßig angewendet worden. Der Landrat des Kreises Heinsberg hatte als Chef der örtlichen Polizeibehörde die Bevölkerung vor Karl D. gewarnt und die Rundum-Überwachung angeordnet.

Bei seiner Haftentlassung hielten die Gutachter den heute 59-Jährigen Karl D. für weiter gefährlich. Er hatte in der Haft jede Therapie verweigert. Das Landgericht München II lehnte die von der Staatsanwalt geforderte nachträgliche Sicherungsverwahrung jedoch ab.

Erst im vergangenen Jahr hatte das Gericht die vorläufige Einstellung der Überwachung abgelehnt. Nun wurde der Fall im sogenannten Hauptsacheverfahren entschieden. Etwa 50 Anwohner aus Heinsberg verfolgten den Prozess. Sie forderten die Fortsetzung der ständigen Beobachtung des Mannes.

Wolfram Strauch, der Anwalt der Familie von Karl D., berichtete vor Gericht über die Folgen der permanenten Überwachung: Ständig würden Polizeifahrzeuge vor dem Haus parken. "Das ist praktizierte Sicherungsverwahrung in homöopathischen Dosen", sagte Strauch. Wenn die Eltern ihre Kinder zum Sport oder zur Schule brächten, würden Streifenwagen folgen. Den Mandanten gehe es "zunehmend dreckiger".

Die Familie habe vor dem Einzug des Bruders zu vielen Nachbarn ein gutes Verhältnis gehabt, jetzt würden die Nachbarn nicht einmal mehr grüßen. Man behandele die Familie wie "Aussätzige", und das letztlich nur, weil der Mann seinem Bruder eine Wohnmöglichkeit gegeben habe, der "irgendwann vorm Gefängnistor stand und nicht wusste wohin". Strauch will vor Gericht erreichen, dass die Polizei-Observation beendet wird. Die Maßnahme sei rechtswidrig.

Der Bruder hatte zu Beginn der Verhandlung in Aachen eine elektronische Fußfessel als "milderes Instrument" der Überwachung vorgeschlagen. Die Gegenseite warf ihm vor, er halte sich nicht an Kooperationsangebote der Polizei. Dies führe zu "Räuber-und-Gendarm-Spielen" mit der Polizei, sagte der Heinsberger Kreisdirektor Peter Deckers.

Der Kinderschänder lebt nach wie vor im Haus seines Bruders. Zwischenzeitlich hatte er angeblich einen Umzug nach Mönchengladbach geplant. Nachdem die Presse davon erfuhr, stellten die Behörden sicherheitshalber einen Container für künftige Observanten auf - Karl D. blieb in Heinsberg. Nach Angaben seines Bruders hat Karl D. inzwischen eine Therapie begonnen.

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