Süddeutsche Zeitung

Missbrauchsfall Bergisch Gladbach:Bundesweite Razzia gegen Verdächtige

Die Ermittlungen richten sich gegen 65 Verdächtige, die kinderpornografische Inhalte besessen haben sollen. Es ist die zweite bundesweite Maßnahme infolge des Missbrauchsfalles Bergisch Gladbach.

Polizei und Staatsanwaltschaft sind mit einer bundesweiten Razzia gegen 65 Verdächtige - unter ihnen zwei Frauen - vorgegangen, die kinderpornografische Inhalte besessen und verbreitet haben sollen. Das teilte die Staatsanwaltschaft Köln am Dienstag mit.

Die Verfahren haben sich demnach aus den Ermittlungen rund um den Kindesmissbrauchskomplex Bergisch Gladbach ergeben. Laut Mitteilung waren auch Spezialeinsatzkommandos (SEK) der Polizei im Einsatz. Insgesamt waren zehn Bundesländer betroffen. Durchsuchungen habe es in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Sachsen, Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg, Brandenburg und Berlin gegeben, teilte Michael Esser, Leiter der Besonderen Aufbauorganisation (BAO) "Berg" der Kölner Polizei, am Dienstag mit. Genaue Örtlichkeiten wollte er zunächst nicht nennen, da die Durchsuchungen teilweise noch nicht beendet seien. Mehr als tausend Beamte waren im Einsatz.

Den Verdächtigen werden Besitz und Verbreitung kinderpornografischer Inhalte vorgeworfen. Es gebe keine Hinweise, dass aktive Missbrauchtäter unter ihnen seien, es habe auch keine Haftbefehle gegeben. In einem Fall sei ein 13-jähriges Kind angetroffen worden, sagte Esser, es habe "unklare Wohn- und Familienbeziehungen" gegeben. Es handelt sich um den zweiten bundesweiten Großeinsatz der Ermittlungsgruppe im Fall Bergisch Gladbach.

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) dankte "den Hunderten von Polizistinnen und Polizisten für ihren hochprofessionellen und hochkomplexen Einsatz". "Beharrlichkeit und Geduld zahlen sich in unserem Kampf gegen Kindesmissbrauch und Kinderpornografie aus", sagte Reul der Deutschen Presse-Agentur. Das zeige sich bei dem Großeinsatz. "Die Pädokriminellen in Nordrhein-Westfalen, in ganz Deutschland und im europäischen Ausland sollen wissen, dass wir ihnen auf den Fersen sind und sie sich nirgendwo sicher fühlen können", sagte Reul. "Wir dürfen hier auf keinen Fall nachlassen, uns für die Kinder einzusetzen." Vergangenen September hatte die Polizei bereits in zwölf Bundesländern mit etwa 1000 Einsatzkräften 60 Objekte von etwa 50 Beschuldigten durchsucht.

Der Missbrauchsfall Bergisch Gladbach brachte die Ermittlungen zum Laufen

Was einst als Missbrauchsfall von Bergisch Gladbach begann, stellt sich inzwischen für die Ermittler als mindestens deutschlandweites Netzwerk dar: Vor allem Männer begehen offensichtlich sexuelle Gewalt an Kindern, erstellen Bilder und Filme davon - und schicken diese in Chatgruppen und Internetforen an Gleichgesinnte. Seit einer ersten Verhaftung im Herbst 2019 versuchen die Behörden, nach und nach die anonymen Täter und Mittäter zu identifizieren.

Der im Herbst 2019 festgenommene Jörg L. soll seine Tochter dutzendfach missbraucht haben, vor allem morgens, wenn die Mutter des Mädchens nicht in der Nähe war. Bei der ersten Tat soll das Opfer erst drei Monate alt gewesen sein. L. soll Fotos und Videos der sexuellen Gewalttaten mit anderen Männern geteilt haben. Die Ermittler fanden unzählige Kontakte in Chatgruppen mit Namen wie "Parents with Kids". Zweimal soll sich der 43-Jährige mit einem Gleichgesinnten getroffen haben, um die eigenen Kleinkinder gemeinsam zu missbrauchen. Im vergangenen Oktober wurde L. zu zwölf Jahren Haft und anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt.

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