Kinderbuch:Sahne an der Nase

Oma hat eine komische Krankheit, sie ist dement. Doch ihre kleine Enkelin hat keine Berühungsängste und findet auf witzige Weise Zugang zu ihr und ihrem besonderen Leben, bis zum Ende.

Von Andrea Duphorn

Lumi ist neun - und alles andere als begeistert, als ihre Oma kurz nach dem Tod des Großvaters in die alte Rumpelkammer über ihrem Zimmer zieht. Auf der Beerdigung des Großvaters hat sie die alte Frau beim Essen beobachtet und war ziemlich entsetzt: "Oma hielt die Sahnetorte in den Händen, wofür ich immer einen Anschiss kriege, und bei jedem Bissen blieb ein Batzen Sahne kleben, an der Nase, an den Wangen und an ihrem Kinn. Aber niemand sagte etwas." Auch als Oma von einem Moment auf den anderen schrecklich wütend wird und auf das übelste auf ihren verstorbenen Mann schimpft und nur alle betreten zu Boden schauen, kann Lumi das nur schwer verstehen. "Wenn ich so viele Schimpfwörter auf einmal hintereinander sagen würde, würde Mama mir mein Taschengeld für den ganzen Monat streichen." Mit Oma dagegen hat ihre Mutter jede Menge Geduld. Lumi erfährt auch bald, warum: Oma ist krank. Sie leidet an einer "komischen Krankheit", die man Demenz nennt und bei der "das Gehirn im Alter nicht mehr richtig funktioniert".

"Baby Oma" ist Friederike Köpfs erstes Kinderbuch. In leicht schnodderigem, ironisch humorvollem Ton und mit konsequent kindlichem Blick erzählt sie einfühlend, leicht und beschwingt über ein ernstes Thema und macht Demenz so schon Kindern im Grundschulalter verständlicher. Ich-Erzählerin Lumi ist eine erfrischend offene Protagonistin, die nach anfänglicher Zurückhaltung ohne Berührungsängste, neugierig und mutig auf die demente Großmutter zugeht und "frei von der Leber weg" von den Veränderungen im Familienleben erzählt. Weniger schöne Erlebnisse finden ebenso Eingang wie innige oder auch komische Momente. Schließlich kann es jederzeit vorkommen, dass Oma wieder mal "austickt" und mit heruntergelassener Hose im Wohnzimmer steht, Kakteen nach dem Besuch wirft - oder einem gefährlichen Einbrecher kurzerhand eins mit einem alten Ski überzieht.

Aber vor allem steht die wachsende Zuneigung zwischen Großmutter und Enkelin im Vordergrund. Lumi findet rasch heraus, wie sie ihre Großmutter an schlechten Tagen ablenken und aus den immer häufiger wiederkehrenden Tiefs heraushelfen kann: "Man brauchte Oma nämlich bloß nach früher befragen und schon lief ihr Gedächtnis wie geschmiert." Sie erfährt auf diese Weise noch so einiges aus dem langen und erfüllten Leben der ebenso liebenswerten wie eigensinnigen alten Dame, die irgendwann immer kleiner und blasser wird und fast nur noch schläft, bis sie eines Nachts friedlich stirbt.

Ein beeindruckendes Debüt mit pfiffigen Schwarzweiß-Zeichnungen von Anne-Kathrin Behl, warmherzig und feinfühlig erzählt. (ab 9 Jahre)

Friederike Köpf: Baby Oma. Mit Schwarzweiß-Illustrationen von Anne-Kathrin Behl. Klett Kinderbuch, Leipzig 2017. 118 Seiten, 13 Euro.

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