Kiel (dpa/lno) - Nach Durchsuchungen bei der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) ist in Schleswig-Holstein Streit um Äußerungen des Justizministeriums entbrannt. SPD-Fraktionschef Ralf Stegner warf der CDU-geführten Landesregierung am Donnerstag vor, sie gefährde „mit ihrem eigenen Handeln das Vertrauen in den Rechtsstaat“. CDU-Justizpolitiker Claus Christian Claussen, selbst Rechtsanwalt, sagte, Stegner selbst untergrabe das Vertrauen in rechtsstaatliche Institutionen und handle unverantwortlich.
Auslöser für die Kritik Stegners ist eine Pressemitteilung des Justizministeriums vom Donnerstag. Darin verteidigte das Ministerium die von der Kieler Staatsanwaltschaft beantragten und von einem Richter angeordneten Durchsuchungen bei der Deutschen Polizeigewerkschaft: „Weder Polizeibeamte noch Gewerkschaftsvertreter stehen über dem Gesetz - genauso wenig übrigens wie etwa Politiker oder Journalisten. Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich.“
Aus gutem Grund seien die Tätigkeit von Journalisten, Personalräten und Abgeordneten ebenso wie die Vertraulichkeit der ihnen gegebenen Informationen sowie die Person des Informanten durch das Grundgesetz und die Strafprozessordnung geschützt, sagte Stegner. Der Hinweis des Ministeriums sei vor dem Hintergrund der Ereignisse „durchaus auch so zu verstehen, dass kein Journalist oder Politiker vor Durchsuchungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaft sicher sein kann, wenn diese auf der Suche nach Beweismitteln in Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes des Verrats von Dienstgeheimnissen ist“.
Der in dem Zusammenhang als Drohung zu verstehende Text des Ministeriums richte sich „weniger gegen die potenziell Betroffenen, sondern vielmehr gegen die Menschen, die sich ihrem Abgeordneten oder Personalrat anvertrauen wollen, die Rechtsschutz und Beistand bei ihrer Gewerkschaft suchen oder aus welchen Gründen auch immer der Presse Informationen über Umstände geben, an deren Aufklärung ein öffentliches Interesse bestehen kann“, betonte Stegner.
DPolG-Landesvize Thomas Nommensen wird vorgeworfen, Polizeiinterna an die Presse durchgestochen zu haben, im Fall einer Geiselnahme in der Justizvollzugsanstalt Lübeck mit Sicherheitsrelevanz. Er bestreitet die Vorwürfe.
Der Gewerkschafter sei „zugleich auch Personalrat, Pressesprecher und verantwortlicher Redakteur der Landesausgabe der Mitgliederzeitschrift seiner Gewerkschaft“, sagte Stegner. Das Bundesverfassungsgerichts habe zum Quellenschutz der Presse bereits 2007 festgestellt, dass Durchsuchungen bei Journalisten in Fällen eines vermuteten Verrats von Dienstgeheimnissen unzulässig seien. „Das weiß (hoffentlich) auch die Justizministerin.“ Das Ministerium Sabine Sütterlin-Waack (CDU) wollte sich am Freitag nicht äußern.
Claussen griff Stegner scharf an: „Herr Stegner versucht Dinge zu skandalisieren, die völlig korrekt abgelaufen sind.“ Der SPD-Politiker suggeriere, die Landesregierung nehme politischen Einfluss auf die Entscheidungen der Justiz. „Das ist schlicht falsch. Mit solchen Unterstellungen diffamiert Stegner pauschal die Justiz und schürt das Misstrauen gegen den Rechtsstaat.“
Aus dem Hinweis in der Pressemitteilung, „jeder ist vor dem Gesetz gleich“, eine Drohung gegen Gewerkschaften abzuleiten, sei „abenteuerlich und absurd“, sagte Claussen. Eine Staatsanwaltschaft müsse ermitteln, wenn sie Anhaltspunkte habe, dass Straftaten begangen worden seien. Und diese habe ein Gericht überzeugt, eine Durchsuchung zu veranlassen. „Stegner sollte erklären, ob er die Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft einschränken will. Dann wäre der Rechtsstaat wirklich in Gefahr.“
Der Richterverband Schleswig-Holstein verwahrte sich gegen eine aus seiner Sicht teils unsachliche Kritik. „Den im Raum stehenden Vorwurf, Staatsanwälte in Schleswig-Holstein würden politisch motivierten Wünschen nach Strafverfolgungsmaßnahmen - quasi auf Zuruf - nachkommen und Richter würden derart willkürliche Maßnahmen durchwinken, weise ich entschieden zurück“, erklärte die Landesvorsitzende Christine Schmehl. Gleichzeitig betonte sie: „Die Justiz in Schleswig-Holstein war, ist und bleibt unabhängig.“