Der Mensch (vermutlich vornehmlich der Städter) holt sich gerne die Natur ins Haus, um es sich schön zu machen. Hier eine monströse Monstera im Mietshausflur, dort der Burgerladen voller Birkenstämme. Und auf der Toilette schaltet sich per Bewegungsmelder die Zwitscherbox an, um für Entspannung zu sorgen auf dem nun gar nicht mehr so stillen Örtchen. „Das beruhigende Zwitschern der Amsel verbreitet die einzigartige Magie eines erwachenden Sommermorgens“, verkündet der Hersteller einer solchen Geräusch-Schachtel. Im Vergleich zum Toilettengang in der echten Natur entfällt hierbei auch die einzigartige Magie eines herannahenden Spaziergängers.
Die Amsel ist ein besonders beliebter Tongeber für solche Apparaturen, am besten aufgenommen „auf einer idyllischen Schwarzwald-Lichtung“. Denn: „Der Ort der Aufnahme ist für hochwertige Natursounds sehr wichtig“, weiß besagter Hersteller.
Wie wahr. Die Amseln im Kieler Schrevenpark, diese Stadtkinder, klingen neuestens nämlich so gar nicht wie ihre Artgenossen von der idyllischen Schwarzwald-Lichtung. Wie mehrere Anwohner der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Schleswig-Holstein meldeten und der NDR nun öffentlich machte, imitieren die Vögel in Kiel das Alarmsignal von E-Scootern, die unerlaubt bewegt werden. Das sagt nicht nur etwas über die Häufigkeit regelwidrigen Verhaltens der Kieler Scooternutzer aus, sondern auch etwas über die örtlichen Amseln. Diese wählten nicht etwa den Sound der namentlich näherliegenden E-Roller-Anbieter Tier oder Pferd aus, sondern originellerweise den des Konkurrenten Bolt.
Das estnische Unternehmen will mit seinem charakteristischen Piepton vermutlich eher abschrecken als zur Entspannung beitragen. Dennoch klingt das imitierte Scooter-Piepen aus dem Schnabel der Amseln (beim NDR gibt es eine Hörprobe) eigentlich ganz idyllisch. Die SZ rät dennoch ausdrücklich davon ab, sich geklaute E-Scooter zum Zwecke des entspannten Stuhlgangs ins Badezimmer zu stellen.
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