Lettland:Villa mit gruseliger Vergangenheit zu verkaufen

Historic KGB building, Riga, Latvia, Baltic States, Europe PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: TomsxAuzins 1276-

Von außen ist das sechsstöckige Eckhaus an der Brivibas-Straße 61 ziemlich prachtvoll.

(Foto: imago images/robertharding)

In Riga soll ein prachtvolles Jugendstilgebäude versteigert werden. Doch die düstere KGB-Vergangenheit macht das Haus zum Ladenhüter.

Von Frank Nienhuysen, München

Kann dieses Haus ein Ladenhüter sein, prachtvoll, hell, mit der Eleganz des Jugendstils? Sein Haupt mit einer Kuppel verziert, die Balkone mit geschwungenen Brüstungen, die schmalen, hohen Fenster mit Bögen versehen. Mehr als hundert Jahre alt ist das sechsstöckige Eckhaus an der Brivibas Straße 61 im Zentrum von Riga. Die Schule der Imperialen Russischen Gesellschaft für Musik war darin untergebracht, Süßigkeiten und Blumen wurden dort zu Beginn des 20. Jahrhunderts verkauft, Zeitungen herausgegeben, es diente als Bibliothek, als Heimat der lettischen Anti-Alkohol-Gesellschaft, des Statistikamtes, der Forst-und Kirchen-Abteilung. Dann wurde es finster in dem Gebäude, richtig gruselig.

Für lange Zeit. In den Vierzigerjahren begannen die Sowjets, das Haus zu nutzen; fast ein halbes Jahrhundert lang war es die Zentrale des sowjetischen Geheimdienstes KGB in Riga. Dutzende Zellen wurden errichtet, Menschen gefangen gehalten, gefoltert, getötet. In einen dunkelbraunen Holzbriefkasten am Eingang warfen Besucher Zettel, auf denen sie nach dem Schicksal von Verwandten fragten - oder jemanden anonym verrieten. Das schöne Haus wurde zum Ort des Terrors. Jetzt wird es auf einer Auktion in Riga versteigert. Das ist zumindest der Plan.

ehemaliges KGB Hauptquartier in Riga ehemaliges Hauptquartier des sowjetischen Geheimdienstes KGB in Riga,

Auch die lettische Polizei war mal hier untergebracht, das Gebäude ist derzeit in staatlichem Besitz.

(Foto: imago images/ecomedia/robert fis)

Seit der lettischen Unabhängigkeit ist das Haus in staatlichem Besitz. Jahrelang hatte sich dort die lettische Polizei eingerichtet, die Sowjetepoche ist also längst vorbei und die EU-Gegenwart erreicht, vor fünf Jahren gab es außerdem ein aufwendiges Fassaden-Lifting. Trotzdem ist es offenbar schwierig, einen Käufer zu finden. Auf SZ-Anfrage erklärte die staatliche lettische Immobiliengesellschaft State Real Estate (VNI): Der "Verkaufsprozess könnte ein ganzes Jahr dauern - dies ist normale Praxis bei einer solchen Immobilie", das Interesse möglicher Investoren sei hoch. Trotzdem endeten in diesem Herbst schon zwei Auktionen ohne Ergebnis. Noch im November soll die dritte beginnen. Und jedes Mal sinkt der Startpreis.

Im September waren es noch 4,2 Millionen Euro, im Oktober etwa 3,4 Millionen, und für den nächsten Versuch hat VNI nur noch 2,76 Millionen Euro angesetzt. Die Erwartungen sind also gedämpft worden. "Es ist nicht leicht, ein Objekt mit einer solchen historischen Aura und moralischen Last zu verkaufen", sagte der Immobilien-Experte Edgars Shins der lettischen Nachrichtenagentur Leta bereits nach dem ersten erfolglosen Versteigerungsversuch. Und die Corona-Pandemie dürfte das Geschäft noch erschweren.

Viel Platz für Wohnungen in bester Lage - und viel zu renovieren

Schon im vergangenen Jahr hatte die Immobiliengesellschaft mehrmals versucht, das einstige KGB-Gebäude für einen Zeitraum von 30 Jahren zu versteigern und die Eigentumsrechte beim Staat zu belassen. Das war den Investoren allerdings zu kurz, als Mietobjekt war es ihnen wirtschaftlich nicht attraktiv genug. Jetzt soll es also verkauft werden. Der Staat hat einfach keine geeignete Verwendung mehr für das weiße Haus.

Wer es ersteigert, erhält im Zentrum der lettischen Hauptstadt einen üppigen historischen Schatz, mit mehr als 8500 Quadratmetern, mit viel Platz für Wohnungen in bester Lage. Zusätzlich bekommt er allerdings den Auftrag, Geld in eine umfangreiche Restaurierung zu stecken. Denn trotz der aufgehübschten Außenfassade war das Innere des Gebäudes viele Jahre lang vernachlässigt worden.

Lettland: Im Inneren der ehemaligen KGB-Zentrale gibt es einiges zu renovieren.

Im Inneren der ehemaligen KGB-Zentrale gibt es einiges zu renovieren.

(Foto: Ilmars Znotins/AFP)

Dafür ist das Gebäude eine Rigaer Touristenattraktion. Oder könnte zumindest eine sein. Seit 2015 hat das "Museum der Besatzung von Lettland" in dem historischen Gebäude eine Ausstellung untergebracht, über die Geschichte des Geheimdienstes KGB in Lettland. Nach Angaben der VNI sind die Rechte dafür bis 2050 festgeschrieben. Besucher erleben im Museum eine bedrückende Atmosphäre, Zimmer, in denen angebliche Konterrevolutionäre verhört wurden, schmale Zellen, kaum erhellt von Tageslicht.

Die schöne Fassade des Gebäudes, gestaltet vom lettischen Architekten Aleksandrs Vanags, haben viele Opfer nach Angaben des Museums gar nicht sehen können, weil sie auf verborgenen Wegen in die Geheimdienstzentrale gebracht wurden. So viel Leid. Weshalb die Immobiliengesellschaft auch Wert darauf legt zu erwähnen, dass Tradition und Geschichte noch deutlich weiter zurückgehen als nur bis zur berüchtigten KGB-Epoche. Nämlich bis zurück ins Jahr 1912, als alles begann. Als im berühmten Eckhaus "die Geschäftsleute Handel trieben, als es junge Musiktalente hervorbrachte, und das Gebäude voll war mit Leben". Und so soll es wieder sein.

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