Kevin-Prozess in Bremen:Reue nach dem Versagen

"Kein Tag, an dem ich nicht an den Jungen denke": Zum Beginn des zweiten Prozesses um den Tod des kleinen Kevin in Bremen beteuert der angeklagte Mitarbeiter des Jugendamtes sein Bedauern. Die Behörde hatte von den Misshandlungen des Kleinkindes gewusst.

Der frühere Amtsvormund des kleinen Kevin hat den Tod des Zweijährigen vor dem Bremer Landgericht zutiefst bedauert. "Seither ist kein Tag vergangenen, an dem ich nicht an den Jungen gedacht habe", sagte der 67-Jährige zum Beginn des zweiten Prozesses. Er trauere um Kevin heute noch genauso wie damals.

Kevin-Prozess in Bremen: Der Sarg des zweijährigen Kevin bei seiner Beisetzung am 13. November 2006. Bis heute steht der Name des misshandelten Kindes für das Versagen der Bremer Behörden.

Der Sarg des zweijährigen Kevin bei seiner Beisetzung am 13. November 2006. Bis heute steht der Name des misshandelten Kindes für das Versagen der Bremer Behörden.

(Foto: AP)

Der pensionierte Mitarbeiter der Sozialbehörde muss sich wegen fahrlässiger Tötung verantworten. "Ich bin damals viel zu spät zu der Wohnung gegangen", sagte der Angeklagte. Er habe damals rund 240 Mündel zu betreuen gehabt, sagte der Angeklagte. "Warum sind wir Amtsvormünder damals im Stich gelassen worden?" Er wolle an der gerichtlichen Aufklärung mitwirken, so gut er könne, hoffe aber auch, dass berücksichtigt werde, dass er nur "einer der Beteiligten an dem Geschehen war, das zur Katastrophe führte".

Das Verfahren gegen den Fallmanager, der im Bremer Amt für soziale Dienste für den Jungen zuständig war, hatte das Gericht wegen dessen krankheitsbedingter Verhandlungsunfähigkeit eingestellt.

Kinderleiche im Kühlschrank

Der Tod des kleinen Kevin wird erneut vor dem Bremer Landgericht verhandelt. Polizisten hatten Kevins Leiche am 10. Oktober 2006 im Kühlschrank seines drogensüchtigen Ziehvaters gefunden. Das Landgericht verurteilte ihn im Juni 2008 zu zehn Jahren Haft und verfügte die Einweisung in eine Entziehungsanstalt. Er ist in dem aktuellen Prozess als Zeuge geladen.

Nun brachte die Staatsanwaltschaft erneut alle schockierenden Details auf den Tisch, die nach ihrer Auffassung die Fehler des Amtsvormundes und des Sachbearbeiters zeigen. Dem Kleinkind waren fast alle Knochen im Leib gebrochen worden, manche dreimal an derselben Stelle. Obwohl es damals Hinweise gab, dass Kevins Ziehvater den Jungen misshandelte, waren die Behörden nicht eingeschritten.

Einstiger Fallbearbeiter ist verhandlungsunfähig

Es wird ein langwieriges Verfahren erwartet. Das Gericht hat bis Dezember 24 Verhandlungstage anberaumt. Die Akten zu dem Fall füllen mittlerweile ein halbes Büro. Allein die Anklageschrift kommt auf 120 Seiten.

Bis heute steht der Name des misshandelten kleinen Kevin für tödliches Versagen der Bremer Behörden. Als Konsequenz plant das Land eine Gesetzesänderung, nach der künftig alle toten Kleinkinder obduziert werden sollen.

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