Fall Kellermayr:Österreich will Hass im Netz stärker verfolgen

Während einer Trauerkundgebung für die Ärztin Lisa-Maria Kellermayr  am 1. August stehen Kerzen vor dem Landesgericht und der Staatsanwaltschaft Wels.

Während einer Trauerkundgebung für die Ärztin Lisa-Maria Kellermayr am 1. August stehen Kerzen vor dem Landesgericht und der Staatsanwaltschaft Wels.

(Foto: Verena Leiss/dpa)

Nach dem Tod der Ärztin Lisa-Maria Kellermayr wollen Österreichs Justiz- und Innenministerium Polizei und Staatsanwaltschaft in die Lage versetzen, Opfer ernst zu nehmen und Täter zeitnah aufzuspüren.

Nach dem Tod einer österreichischen Medizinerin, die sich in der Corona-Pandemie für Schutzmaßnahmen engagiert hatte, sollen Österreichs Justiz und Sicherheitsbehörden stärker für den Kampf gegen Hass im Netz gerüstet werden. Das hat Justizministerin Alma Zadic (Grüne) angekündigt.

Die Ärztin Lisa-Maria Kellermayr war monatelang massiven Morddrohungen aus der Szene der Maßnahmengegner ausgesetzt gewesen und hatte sich deshalb wiederholt an Polizei und Behörden gewandt. Seit dem Suizid der 36-jährigen Medizinerin vor rund einer Woche sehen sich diese mit dem Vorwurf konfrontiert, sich zu wenig um den Fall gekümmert und die Frau im Stich gelassen zu haben.

Kellermayr hatte nach etlichen Drohungen zuerst auf eigene Kosten ihre Praxis sicherer gemacht, diese dann Ende Juni jedoch geschlossen. "Mein Fall", hatte sie zu diesem Zeitpunkt auf Twitter erklärt, "ist allen im Parlament vertretenen politischen Parteien bekannt. Und das seit Monaten. Ich habe wirklich alles getan, was ein Mensch tun kann, um Hilfe zu bekommen. Jetzt bin ich am Ende der Fahnenstange angelangt. Daher dieser Schritt."

Polizeischutz hatte sie nicht bekommen, vielmehr hatte ausgerechnet ein Tweet der Polizei Oberösterreich im November dazu geführt, dass die Verfolgung der Ärztin noch zugenommen hatte. Dort war von einer Falschmeldung Kellermayrs die Rede, was nicht ganz korrekt war, aber Gegner der Coronamaßnahmen veranlasste, jetzt erst recht auf die Medizinerin loszugehen.

"Diese Ausforschung dauert oft zu lange"

Justizministerin Zadic sagte, dass sie gemeinsam mit Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) daran arbeiten werde, jeder Polizeidienststelle und Staatsanwaltschaft die nötigen Ressourcen und Werkzeuge zu geben, um alle Opfer ernst zu nehmen und Täter zeitnah zur Rechenschaft zu ziehen. "Diese Ausforschung dauert oft zu lange, was für Betroffene natürlich extrem belastend ist", sagte sie.

Ermittlungen im Fall Kellermayr laufen inzwischen auch in Deutschland. Am Freitag wurde in Oberbayern die Wohnung eines 59-jährigen Mannes durchsucht, dem die Bedrohung und Nachstellung Kellermayrs vorgeworfen wird.

Anmerkung der Redaktion: Wir haben uns entschieden, nur sehr zurückhaltend über Suizide oder Suizidversuche zu berichten. Der Grund ist die hohe Nachahmerquote nach jeder Berichterstattung über Selbsttötungen. Wenn Sie sich selbst betroffen fühlen, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge (www.telefonseelsorge.de). Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die in vielen Fällen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen konnten.

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