Süßwaren:Das Ende des Kaugummistreifens

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Wrigley's Spearmint Kaugummis gibt es seit 1899, jetzt werden sie in Deutschland vom Markt genommen. (Foto: Jens Kalaene/dpa)

Wrigley's-Kaugummis wie Juicy Fruit und Spearmint werden nicht mehr hergestellt. Schluck! Ein paar wehmütige Erinnerungen an Kaugummi-Mausefallen und Geschmacksverirrungen in Silberpapier.

Von Nadeschda Scharfenberg

Die Firma Mars richtet ganz schön was an mit der Entscheidung, den Wrigley's-Streifenkaugummi vom Markt zu nehmen. Daran wird, neben allen Juicy-Fruit- und Spearmint-Fans, vor allem die Scherzartikelindustrie zu kauen haben, denn mit dem Verschwinden des Kaugummistreifens wird auch der Kaugummischnapper zum Ladenhüter werden, diese bei 80er-Jahre-Kids legendäre Kaugummi-Mausefalle. Der Schnorrer greift zu, und, autsch, zwickt ihm eine Feder in den Finger. Der ganze Schulhof brüllt vor Lachen. Wer soll da künftig drauf reinfallen?

Vor ein paar Monaten schon hat das Unternehmen Mars, zu dem Wrigley's gehört, die Produktion von Streifenkaugummis für den Deutschen Markt eingestellt, wie es jetzt bestätigt. Zuletzt wollten immer weniger Leute Kaugummi in dieser Darreichungsform mümmeln, und so langsam verschwinden die letzten Exemplare aus den Regalen. Viel Geschmack geht der Welt nicht verloren, das Aroma war recht flüchtig und überdauerte im Mund kaum zwei Minuten. Und auch dem vielen Verpackungsmüll muss man keine Träne nachweinen (höchstens Kommissare, denn in wie vielen Krimis wurden Täter anhand fallengelassener Kaugummipapiere überführt?). Aber es ist eben ein Kulturgut, dessen Zeit zu Ende geht.

Vier Kaugummis für jeden, der im Telefonbuch stand

Juicy Fruit war in den USA seit 1893 auf dem Markt, 130 Jahre, Spearmint seit 1899, und dann gab es noch Big Red, diese Geschmacksverirrung in Silberpapier. Milchreis mit Zimtzucker zum Kauen. Nur eben ohne Milchreis. Die Wrigley Company verkaufte übrigens Seife, bevor sie sich auf Kaugummi spezialisierte. Das Produktmarketing des Unternehmens hatte durchaus Biss: 1915 bekam jeder, der in den USA im Telefonbuch stand, vier Streifen Kaugummi mit der Post geschickt. Im Ersten und Zweiten Weltkrieg war chewing gum fester Bestandteil der Lebensmittelrationen der US-Soldaten, und diese waren es auch, die den Kaugummi in Europa populär machten. Die Rosinenbomber warfen nicht nur Rosinen ab. Wrigley's Kaugummis flogen mit der Apollo 11 zum Mond, und als Testobjekt für die allererste Scannerkasse der Geschichte dienten sie auch.

Jetzt ist die Blase geplatzt oder vielmehr allmählich eingeschrumpelt, das Geschäft mit den Kaugummistreifen wurde jedenfalls zunehmend zäh. Die Zukunft gehört den Dragees, die schon irgendwie praktisch sind und den Geschmack ein bisschen länger halten als ihre streifenförmigen Verwandten, aber die Dose klappert immer so peinlich laut in der Handtasche. Dragees lassen sich auch nicht in der Mitte durchreißen und mit einer Freundin oder einem Freund teilen. Was zum Teilen bleibt, sind die alten Geschichten, die immer dann mit Wehmut durchgekaut werden, wenn ein Produkt Geschichte wird. Kaugummi auf dem Mond, Kaugummi-Mausefalle am Finger. Die süßen Erinnerungen, sie halten sowieso länger als der Geschmack eines jeden Juicy-Fruit-Streifens.

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