Katholische Kirche:Vom Wasser und vom Wein

Katholische Kirche: Die Klosterkirche St. Maria in Fürstenfeldbruck.

Die Klosterkirche St. Maria in Fürstenfeldbruck.

(Foto: Imago Stock&People)

Sie betreibt Kindergärten und Krankenhäuser, lässt Tatort-Krimis produzieren und besitzt Mietwohnungen - die katholische Kirche ist Deutschlands zweitgrößter Arbeitgeber und ein florierendes Unternehmen. Geschätztes Vermögen: bis zu 500 Milliarden Euro. Aber ist das verwerflich?

Von Matthias Drobinski und Klaus Ott

Sonntagabends wird in Deutschland gemordet, auch im Auftrag der katholischen Kirche. Deren Bistümer besitzen und betreiben als Mehrheitsgesellschafter eine Fernsehfirma, die Tellux, die Filme und Serien produziert, darunter auch Episoden für den Tatort, die Krimireihe in der ARD. Die Tellux ist eines von Hunderten Unternehmen aus dem Konzern katholische Kirche. Jesus von Nazareth waren Geld und Besitz noch herzlich egal - seine Nachfolger im reichen Deutschland aber verfügen über ein irdisches Reich mit großen Besitztümern und Milliardenumsätzen.

Der katholischen Kirche gehören Ehrfurcht gebietende Dome und anrührende Kapellen, weltberühmte Kunstwerke und Bibliotheken, aber auch Weinberge und Mietshäuser in erstklassigen Wohnlagen - und mit dem Weltbild-Verlag ein Unternehmen mit fast 1,6 Milliarden Euro Jahresumsatz. Sie betreibt über ihren Sozialträger Caritas Kindergärten und Krankenhäuser, Sozialstationen und Altenheime; allein der deutsche Caritasverband beschäftigt in fast 25.000 Einrichtungen mehr als 550.000 Menschen.

Tebartz-van Elst konnte an aller Kontrolle vorbei planen

Nach dem Staat ist die katholische Kirche der größte Arbeitgeber in Deutschland. Ja, sie ist reich und mächtig, die größte Institution im Land, über deren Geld nun in Limburg und anderswo so heftig gestritten wird. Es geht ja in der Debatte nicht nur um einen Bischof, der alle austricksen wollte, um Wohnung und Amtssitz in Manufactum-Qualität zu bauen. Es geht um die große Frage, wie viel Geld und Reichtum einer Kirche gut tut, vor allem dann, wenn ihr oberster Vertreter, Papst Franziskus, von einer einfachen Kirche an der Seite der Armen predigt.

Was tut die Kirche mit dem Geld? Viel Gutes, würde jetzt ein von der Sache überzeugter Bischof sagen, und das stimmt ja auch. Die 27 katholischen Bistümer zahlen ihre Priester und Kirchenangestellten anständig und verlässlich, bildet sie ordentlich aus und weiter. Sie hält die Kirchengebäude instand (sofern das nicht der Staat übernimmt). Im Auftrag von Ländern und Kommunen lässt sie Kinder erziehen, Kranke pflegen, Alte versorgen. Es lässt sich darüber streiten, ob die Kirche Tatortfolgen produzieren lassen oder einen Versandbuchhandel betreiben sollte - dagegen aber, dass sie Geld hat, kann man im Grunde wenig sagen.

Eher schon dagegen, dass der kirchliche Umgang mit dem Geld seine Schattenseiten hat und seine Schattenhaushalte produziert. In Limburg konnte Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst sein neues Bischofshaus an aller Kontrolle vorbei planen: Nur zweieinhalb Millionen Euro des mindestens 31 Millionen Euro teuren Selbstverwirklichungsprojekts kommen aus dem offiziellen Bistumshaushalt, den Rest zahlt der Bischöfliche Stuhl, ein Fonds als steuerbefreite Körperschaft des öffentlichen Rechts, in dem angeblich 100 Millionen Euro Vermögen ruhen sollen, so genau weiß das keiner.

Weder Armut, noch öbszoner Reichtum

Das Domkapitel, das bislang dort die Ausgaben überwachte, entmachtete er und übertrug die Kontrolle auf ein Dreiergremium, dem enthielt er dann auch die Zahlen vor. Im Grunde genommen darf ein Bischof innerhalb bestimmter Regeln über das Geld des Bischöflichen Stuhls frei verfügen und auch darüber entscheiden, wer ihn kontrolliert. Und die Öffentlichkeit muss über dieses Vermögen schon gar nicht unterrichtet werden.

Die katholische Kirche (wie auch die evangelische) ist im Prinzip niemandem Rechenschaft schuldig außer sich selbst. Das bestimmt das Grundgesetz so, das 1949 die Kirchenartikel der Weimarer Reichsverfassung von 1919 übernahm: Zur Religionsfreiheit gehört, die inneren Angelegenheiten selber regeln zu dürfen. Da darf dann auch nicht der Staat hineinreden, der immerhin die Kirchensteuer eintreibt. Im Jahr 2012 waren das knapp 5,2 Milliarden Euro; ein Rekorderlös, obwohl die Zahl der Gläubigen sinkt. Das meiste davon fließt in die Pfarreien, die Gemeindearbeit. Dorthin, wo die Leute getauft, getraut und beerdigt werden, die Kirche ihren Anhängern am nächsten ist - und wo auch Kirchenverwaltungsräte zumindest ein Mitspracherecht haben, wie das Geld ausgegeben wird.

Doch weil die katholische Kirche niemandem Rechenschaft schuldet, kann letztlich niemand sagen, wie reich sie ist. Die Höhe der Kirchensteuer ist bekannt, die Bistümer veröffentlichen ihre Haushalte; das Erzbistum Köln hat mit fast 940 Millionen Euro den größten, ein mittleres Bistum wie Mainz einen mit 300 Millionen, in Magdeburg sind es nicht einmal 27 Millionen. Hinzu kommen die Staatsleistungen, Ausgleichszahlungen also für die Enteignungen von Kirchenbesitz vor allem durch die Säkularisation von 1803; 2010 erhielten die katholischen Bistümer fast 200 Millionen Euro.

Kirchenvertreter blieben Gegenrechnung schuldig

Doch wie hoch sind zum Bispiel die Rücklagen der Bistümer? Bei dieser Frage wurden bislang die Finanzverantwortlichen schweigsam. Zum einen reden sie nicht gerne über jene Posten, die manchmal mehr über Wohlstand oder Armut der Bistümer aussagen als die Haushalte - die einen können mit Mühe die Pensionszahlungen ihrer Pfarrer absichern, die anderen verfügen Gerüchten zufolge über Milliardenvermögen; und selbst, als sich vor einiger Zeit die Generalvikare trafen, sollen sie, als es um den Besitz des eigenen Bistums ging, wortkarg geworden sein. Und dann weiß oft nicht einmal der Bischof genau, wie reich das Bistum ist, der Besitz ist zersplittert und zerstreut. Das Erzbistum München-Freising zum Bespiel besitzt 5000 Hektar Wald - verteilt allerdings auf 850 verschiedene Rechtsträger.

Einer hat immerhin versucht, in jahrelanger Kleinarbeit das Vermögen der Kirchen zu summieren: Es ist der Publizist und Kirchenkritiker Carsten Frerk. Seinen Schätzungen zufolge verfügen die Kirchen über ein Geldanlagevermögen von 150 Milliarden Euro und ein Grundvermögen von 200 Milliarden Euro. Das klingt gewaltig, doch auch Frerk gibt zu: Teilt man das Geld durch die Summe der von ihm zusammengezählten Rechtsträger, besitzt jeder drei Millionen Euro. Armut ist das nicht, obszöner Reichtum aber auch nicht. Kirchenvertreter halten Frerks Zahlen für zu hoch gegriffen - allein: Eine Gegenrechnung haben sie bislang auch nicht vorgelegt.

Bistum Essen verspricht "größtmögliche Transparenz"

Dies allerdings könnte sich nun durch den Fall des verschwenderischen Bischofs Tebartz-van Elst ändern, mit moralischer Unterstützung des armutspredigenden Papstes in Rom. Erschrocken durch den Furor, der sich da erhoben hat, haben nun gleich mehrere Bistümer ihr bischöfliches Vermögen offen gelegt: Das Erzbistum München-Freising gibt die Bilanzsumme des Bischöflichen Stuhls mit 27,6 Millionen Euro an. Das Bistum Speyer nennt ein Vermögen von 46,5 Millionen, die Bistümer Essen und Münster geben 2,2 beziehungsweise 2,37 Millionen Euro an.

Das Geld in Essen stammt im Wesentlichen aus zwei Erbschaften. Das Erzbistum Hamburg will da nicht zurückstehen. Dort sind es 35 Millionen Euro minus 8,2 Millionen Euro Verbindlichkeiten. So viel Geld wie in Limburg steht also keinem Bischof zur Verfügung. Ansonsten sagen die Zahlen aber noch nicht sehr viel. Außer, dass es mit Ausnahme von München nun eher die armen und kleinen Bistümer sind, die mehr Transparenz praktizieren.

Noch wichtiger war der Schritt des Bistums Essen, die gesamten Finanzen im Stile einer Aktiengesellschaft auszuweisen, mit Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnungen. In Essen kann man längst nachlesen, woher das Geld kommt und wohin es fließt; wie hoch das Eigenkapital ist (125 Millionen Euro) und wozu es dient (Instandhaltung der Gebäude, Risikovorsorge und anderes). Jetzt kommen die Zahlen über den Bischöflichen Stuhl hinzu. "Größtmögliche Transparenz" sei nötig, sagt Overbeck.

Auch das Erzbistum München möchte von der kameralistischen Buchhaltung, bei der nur die Einnahmen und die Ausgaben zusammengezählt werden, auf die Bilanzbuchhaltung umstellen, bei der auch alles Vermögen und alle Schulden aufgelistet werden. Die evangelische Kirche in Deutschland hat bereits vor einiger Zeit angekündigt, dass ihre 20 Landeskirchen nach und nach echte Bilanzen veröffentlichen werden.

So könnte, am Ende der Affäre um den verschwenderischen Bischof, mehr Transparenz bei den Finanzen der katholischen Kirche stehen, was ein großer Fortschritt wäre: Nur wer offen mit dem Geld umgeht, wer sagt, woher er es hat und was er damit tut, kann auf das Vertrauen der Gläubigen und der Öffentlichkeit hoffen.

Zunächst einmal aber hat den Schaden die ganze Kirche, mitsamt ihren vielen Verbänden und Organisationen. Darunter die Caritas, die sich als "Anwalt der Armen" versteht. Das Spendenaufkommen sei in Gefahr, sagt Peter Neher, der Caritaspräsident. Er ist ein leiser Mensch; aber was in Limburg geschehen sei, mache ihn "traurig und wütend". Die Caritas veröffentlicht seit einiger Zeit einen transparenten Geschäftsbericht. Neher sagt, er finde den Kurs des Essener Bischofs Overbeck "beispielhaft für die Kirche in Deutschland".

Gelingt es nicht, das Vertrauen zurückzugewinnen, dass die Kirche insgesamt Gutes tut mit ihrem Geld, steht das gesamte Staat-Kirche-Verhältnis auf dem Spiel. Das wissen alle, auch die Bischöfe.

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