Katholische Kirche und Gläubige:Aneinander vorbeigeredet

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Konnte bisher auch kein starkes Signal an die Weltkirche senden: Papst Franziskus. (Foto: Maurizio Brambatti/dpa)

Unter dem Eindruck der Missbrauchsskandale hat die katholische Kirche in Deutschland einen Dialog mit den Gläubigen angestoßen. Das Ergebnis ist ernüchternd.

Kommentar von Matthias Drobinski

Am Anfang stand der bittere Skandal um die sexuelle Gewalt von Priestern und Kirchenmitarbeitern, der die katholische Kirche im Jahr 2010 in den Abgrund blicken ließ. Und als es um die Frage ging, was nun anders werden müsste in dieser Kirche, folgte die Erkenntnis: Die Bischöfe und das Kirchenvolk mögen die gleichen Gebete sprechen - doch sie reden aneinander vorbei, dass sich dem Heiligen Geist die Federn sträuben müssten, sollte er wirklich eine Taube sein.

In dieser Not hatte Robert Zollitsch, damals Vorsitzender der Bischofskonferenz, eine Idee: Man müsste mal reden mit dem Volk. Schon vor fünf Jahren zog dieser Gesprächsprozess einigen Spott auf sich. Das Kirchenvolk? Es trafen sich die Bischöfe mit ausgewählten Vertretern aus den Pfarreien und Verbänden, der Priester und Ordensleute. Und worüber reden, wenn doch nichts entschieden werden kann? Der konservative Kölner Kardinal Joachim Meisner zum Beispiel machte bei sich daheim im Erzbistum schnell klar: Übers Beten können wir gerne sprechen, über Veränderungen nicht.

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Jetzt endet dieser Prozess. Und siehe da: Das Verhältnis zwischen Bischöfen und Kirchenvolk ist in diesen fünf Jahren tatsächlich besser geworden. Man hat sich kennen und auch schätzen gelernt. Einige Bischöfe haben eigene Foren in ihrem Bistum eingerichtet. Und dass es nun ein liberaleres kirchliches Arbeitsrecht gibt, liegt auch daran, dass viele Dialog-Teilnehmer dies forderten.

Insgesamt aber zeigt der Prozess, wie schwer es in der katholischen Kirche immer noch ist, etwas zu verändern, wie verbreitet immer noch die Angst vor zu viel Aufbruch und Umbruch ist, gerade unter Bischöfen. Auf keinen Fall durften am Ende des Dialogs gemeinsame Forderungen der Teilnehmer stehen, gar noch per Abstimmung beschlossen. Bloß keinen Druck ausüben! Ja nicht die konservativen Kreise reizen, die dann in Mails und Briefen vom Verrat am Glauben reden! Nur nicht so viel von Wiederverheirateten, Homosexuellen, Verhütungsmitteln und Frauenpriestertum sprechen! Aber - warum eigentlich nicht?

Seit zweieinhalb Jahren sitzt der größere Veränderer und Dialogsucher selbst im Vatikan: Papst Franziskus. Auch das lässt jetzt diesen Prozess so merkwürdig blass aussehen: Die Kirchengeschichte hat ihn überholt. Es geht kein starkes Signal nach Rom und in die Weltkirche hinaus, wie vor 40 Jahren von der Würzburger Synode, als Bischöfe, Theologen und Laienvertreter berieten, was es heißt, als Kirche und als gläubiger Katholik in der modernen Welt zu stehen.

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So gesehen war der Dialogprozess eine Art katholische Gruppentherapie: Man hat Verletzungen aufgearbeitet, Vorurteile abgebaut, und kann auch wieder miteinander reden. Das ist ein respektables Ergebnis. Aber ob es reicht, Impulse für eine Kirche in der Entscheidungszeit zu geben?

Die konservativen Kräfte organisieren sich gerade für die Bischofssynode, in der es im Oktober um die Frage geht, wie die Kirche künftig über Ehe, Familie, Sexualität redet. Dass sie das tun, ist nicht schlimm und böse, sondern naheliegend und ihr gutes Recht: Dialog heißt ja gerade nicht, dass nun alle gefälligst einer Meinung sind. Dass aber jene so verzagt sind, die sich für Veränderungen einsetzen - das erstaunt schon.

© SZ vom 12.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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