Katholikentag in Münster:Den Frieden zu wollen ist eben nicht mehr banal

People are seen in the streets after the opening ceremony of the 101st German Catholic Convention (Katholikentag) in Muenster

Der Katholikentag in Münster steht in diesem Jahr unter dem Motto: "Suche Frieden".

(Foto: REUTERS)

Lange war das Reden vom Weltfrieden wohlfeil. Zu weit weg war der Krieg von Deutschland. Es wäre Zeit für eine neue Friedensbewegung gegen das Ohnmachtsgefühl in Europa.

Kommentar von Matthias Drobinski

Es ist nicht einfach, über den Frieden zu reden. Für den Frieden ist jeder; man kann das Wort rundlutschen wie ein Hustenbonbon und auskauen wie Kaugummi, mit falschem Pathos aufladen zu Gitarrenklang und entkernen: den Weltfrieden wünschen wir, was sonst. Die Banalisierung des Friedens ist seiner jahrzehntealten Selbstverständlichkeit geschuldet. Kriege waren schlimm, aber fern, geografisch wie historisch. Gerade in Deutschland ist eine konfliktarme Gesellschaft gewachsen, die Gewalt verabscheut und Streit nicht mag.

Der selbstverständliche Frieden aber ist dahin. Zwei, drei Flugstunden jenseits von Frankfurt, München, Berlin werden Menschen zu Hunderttausenden totgeschossen und -gebombt. Eine Interessenspolitik nach den Kriterien des 19. Jahrhunderts bedrängt die mühsam gefundenen Mechanismen des Ausgleichs zwischen den Staaten; der Krieg droht ausprobierbar zu werden. Die Folgen der Auseinandersetzungen gefährden auch den inneren Frieden in Deutschland. Mit der Zahl der Flüchtlinge ist die Angst gewachsen, das wohlgeordnete Land könnte am Abgrund stehen, und mit ihr hat die Zahl derer zugenommen, die mit Kriegs-und Abgrenzungslogik Politik machen.

"Suche Frieden und jage ihm nach" - selten traf das Leitwort eines Katholikentages die aktuelle Lage so gut wie der Psalmvers des Königs David. Die Vorstellung von der ewigen Friedensdividende, auf die man vielleicht nach dem Ende des Ostblocks hoffen konnte, ist dahin. Wer sich fürs friedliche Miteinander im Land und der Welt einsetzt, ist wieder Jäger und Sammler, der jeden Morgen aufs Neue raus und ran muss, damit es am Abend zum Leben reicht. Sein Vorrat ist begrenzt; er muss durchs Gestrüpp und durch den Sumpf, muss Geduld haben, sich dreckig machen, Verletzungen riskieren und an den Rand der Erschöpfung gehen. Sonst ist er weg, der Frieden.

Es gibt keinen neuen kalten Krieg mit uns

Den Frieden zu wollen ist eben nicht mehr banal. Es heißt, abzurüsten gegen das allgemeine Aufrüsten; bedeutet, auf Machtbegrenzung und Interessensausgleich zu bestehen, auch wenn der Rücksichtslose zunächst einmal der Stärkere zu sein scheint. Wer den Frieden will, darf die eigene und die staatliche Sicherheit nicht als das höchste Gut betrachten. Ja, auch Sicherheitspolitik, das Militär eingeschlossen, ist Friedenspolitik - wer aber auf diese Weise absolute Sicherheit verspricht, produziert nur allgegenwärtige Bedrohungsangst.

Es wäre Zeit für eine neue Friedensbewegung, gegen das Ohnmachtsgefühl, das da gerade wächst. Sie bräuchte das Pathos der Achtzigerjahre nicht mehr, es wäre lächerlich angesichts der unübersichtlichen Weltlage. Sie bräuchte Frauen und Männer, die den Frieden suchen und ihm nachlaufen, Feindeslogiken durchbrechen und den zwischen Trump und Putin eingeklemmten Politikern Europas klarmachen: Es gibt keinen neuen kalten Krieg mit uns. Wir widersprechen allen, die glauben, dass die Summe der Egoismen das Wohl aller ergibt und der dem Frieden am besten dient, der am lautesten mit Krieg droht.

Treffen wie der Katholikentag in Münster zeigen: Es machen mehr Menschen mit, als man denkt. Kleine Propheten, die an ihrem Ort an einer besseren Welt werkeln. Sie sind nicht von gestern, wie die Zyniker spotten. Sie sind die Zukunft.

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