Für die britische Boulevard-Presse sind es herrliche Tage. Herzogin Kate und Herzog William sind auf Dienstreise in Indien und Bhutan, was bedeutet, dass es so viele bunte Bilder gibt, dass man ganze Seiten damit volldrucken könnte. Zur Freude der Fotografen zieht die Herzogin sich mehrmals am Tag um, das Paar streichelt Tiere, legt Kränze nieder, spielt mit Kindern, trägt bunte Schals und lächelt ohne Unterlass. Einziger Wermutstropfen: Die Kinder sind zu Hause geblieben. Wobei, Bilder von Prinz George und Prinzessin Charlotte beim Streicheln von Baby-Elefanten wären für die royalen Reporter vermutlich einfach zu viel des Glücks gewesen. Auch das Schönste soll ja in Maßen genossen werden.
Seit Anfang der Woche waren Kate und William in Indien unterwegs, am Donnerstag hat sich der Tross nach Bhutan aufgemacht, um am Wochenende kurz vor der Heimreise noch einmal nach Indien zurückzukehren. Dann steht der Besuch am Taj Mahal an, was britische Royalisten in Aufregung versetzt, weil dort 1992 Williams Mutter Diana vor den Kameras posierte. Allein. In ihrer Ehe mit Charles kriselte es heftig, und so hatte das Paar beschlossen, nicht gemeinsam vor dem Palast aufzutreten, den der Herrscher Shah Jahan im 17. Jahrhundert für seine verstorbene Liebe Mumtaz Mahal bauen ließ. Die Aufnahme der einsamen Diana vor dem Palast gilt seither als das Symbolbild schlechthin für das Scheitern der Ehe der beiden.
"Farblich passten sie sich mit vielen Khaki-Tönen der Landschaft an."
Wenn am Wochenende also Kate und William gemeinsam vor dem Palast stehen werden, nehmen sie damit auch Bezug auf die Familiengeschichte. "Ein weiser Mann wäre wohl mit zum Taj Mahal gefahren", hat Williams Vater Charles später gesagt. Das ist insofern richtig, als eine Reise der Royals dazu dient, Bilder zu produzieren - allerdings nicht Bilder, die ganz andere Geschichten erzählen als beabsichtigt. Sondern vielmehr Fotos wie jene aus dem Kasiranga-Nationalpark, wo Kate und William einem Panzernashorn ein wenig Gesellschaft leisteten; sie gaben Elefantenbabys Milch aus sehr großen Flaschen, zudem beobachteten sie Zackenhirsche und Wasserbüffel. Die Deutsche Presse-Agentur war von dem Ausflug so begeistert, dass sie in schönste royale Prosa verfiel und schrieb: "Im offenen Jeep posierte der Herzog von Cambridge cool mit hochgerollten Hemdsärmeln; Herzogin Kate trug eine hautenge Hose, Ballerinas und ein luftiges Hemd. Farblich passten sie sich mit vielen Khaki-Tönen der Landschaft an."
Begonnen hatte der Besuch in Mumbai, wo das Paar einen Kranz am Taj Palace Hotel niederlegte, das 2008 Ziel eines terroristischen Anschlags geworden war. Heute sei es ein Symbol der Widerstandskraft und der Stärke der Stadt, teilte der Kensington Palace mit. Selbstverständlich trafen die beiden auch Kinder aus den Slums, was ebenso selbstverständlich zu Referenzen zum "Slumdog Millionär" führte, einem ziemlich klischeeüberladenen britischen Kinofilm von 2008, in dem ein Junge aus den Slums von Mumbai bei der indischen Version von "Wer wird Millionär" den Hauptpreis gewinnt.
Der Herzog und seine Gattin trafen Bollywood-Schauspieler, prominente Geschäftsleute und nebenbei auch den indischen Premierminister Narendra Modi. Dass Königin Elizabeth erst in der kommenden Woche 90 Jahre alt wird, stand einer Geburtstagsparty für die Queen nicht im Wege. Kate und William schnitten also zu Ehren von Williams in London weilender Großmutter eine Torte an, und weil ein handelsübliches Messer auf Fotos nicht so viel hermacht, wurde der zeremonielle Anschnitt mit einem Schwert vollzogen. Von der Torte aß Kate dann nichts. Indischen Beobachtern ist aufgefallen, dass Kate ohnehin bei allen Veranstaltungen die dargebotenen Speisen nicht anrührt, was zu der Mutmaßung führte, sie wolle einen royalen Durchfall vermeiden.
Es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass dieses Detail zu diplomatischen Verstimmungen führt. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass die koloniale Vergangenheit während des Besuchs nicht zur Sprache kam. Der Palast hatte mitgeteilt, dies sei die "bisher ambitionierteste Reise" des Paares. Die Herzogin und der Herzog würden eine persönliche Beziehung zu einem Land aufnehmen, das in ihrem Leben eine große Rolle spielen werde. Damit ist vermutlich gemeint, dass Indien Prognosen zufolge bis 2030 das bevölkerungsreichste Land der Erde mit der drittgrößten Wirtschaft weltweit sein wird. Mit diesem Land wollen nicht nur die Royals ein gutes Verhältnis haben, sondern auch Regierung und Wirtschaft in Großbritannien.
Kate und William sind auch auf Wunsch der Regierung nach Indien gereist, um die Beziehungen zu einem der wichtigsten Länder des Commonwealth zu festigen. Die königliche Familie hat in erster Linie repräsentative Aufgaben, sie wirkt aber bisweilen auch als Arm des Auswärtigen Amtes. Als zum Beispiel die Queen im Jahr 2011 als erste Monarchin das unabhängige Irland besuchte, trug sie zum Auftakt ein Kleid in der irischen Nationalfarbe Grün und einen Anstecker in Form einer Harfe. Auf einem Bankett sprach sie ein wenig Gälisch. Diese kleinen Gesten wurden mit Blick auf die schwierige Geschichte der beiden Länder als Zeichen der Versöhnung gedeutet.
Gleiches gilt nun für den Besuch von Kate und William in Indien. Sich farblich der Landschaft anzupassen ist dabei ein nicht unwichtiger, aber nur ein kleiner Teil ihrer Aufgabe.