Katastrophen - Mainz:CDU-Fraktion wirft Spiegel Passivität bei Hochwasser vor

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Familienministerin Anne Spiegel (Bündnis 90/Die Grünen)sitzt während eines Interviews in ihrem Büro. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Mainz (dpa/lrs) - Nach Auswertung bisheriger Erkenntnisse aus dem Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe wirft die rheinland-pfälzische CDU-Fraktion der damaligen Umweltministerin Anne Spiegel (Grüne) Passivität in der Flutnacht vor. Sie und ihr Staatssekretär Erwin Manz (Grüne) hätten in "erschreckendem Umfang" die gebotene Initiative vermissen lassen, die Katastrophe aktiv zu bekämpfen, sagte der CDU-Obmann in dem Ausschuss, Dirk Herber, am Montag in Mainz. Vertreter der Grünen sehen das komplett anders.

Herber sagte, die heutige Bundesfamilienministerin Spiegel habe zwar im U-Ausschuss von einer Tausende Seiten umfassenden Kommunikation rund um die Ahr-Flut gesprochen. Nach Aktenlage seien für den Zeitraum vom 14. Juli 2021 bis zur Kabinettssitzung am 15. Juli um 11 Uhr aber nur sechs SMS-Nachrichten, 28 Nachrichten über den Nachrichtendienst Threema sowie 26 Emails von und für Spiegel bekannt, wobei das Gros an sie gerichtet und nicht von ihr versendet worden sei. Eine Anrufliste für ihr Diensttelefon fehle.

Spiegel selbst hatte kürzlich im Ausschuss zum Abend des 14. Juli gesagt, sie habe bis spät in die Nacht Telefongespräche geführt und sich über die Zuspitzung der Situation im Norden von Rheinland-Pfalz informiert. Sie habe aber keinen Anlass gesehen, in funktionierende Abläufe einzugreifen. "Das Ministerium ist nicht Teil der Meldekette", sagte Spiegel. In Absprache mit Manz habe sie davon abgesehen, bereits am Flutabend in die Region zu fahren, sei aber am 15. Juli in der ebenfalls betroffenen Region Trier gewesen.

Herber und CDU-Fraktionschef Christian Baldauf sprachen am Montag von nicht funktionierenden Abläufen und Meldeketten. Im Vorfeld der Flut sei Projektionen zur Entwicklung an der Ahr kein Vertrauen geschenkt worden, Warnmails seien verspätet rausgegangen. Dafür trügen Spiegel und Manz die politische Verantwortung. Baldauf forderte die Entlassung Spiegels als Bundesfamilienministerin sowie eine öffentliche Stellungnahme von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und verlangte, Manz im Amt als Umweltstaatssekretär in Rheinland-Pfalz abzulösen.

Aus dem Bundesfamilienministerium hieß es am Montag, die Ministerin weise die Rücktrittsforderungen entschieden zurück. Spiegel nimmt knapp vier Wochen nach ihrem positiven PCR-Test nun ihre Amtsgeschäfte wieder auf. Seit dem 24. Februar hatte sie krankheitsbedingt mehrere Termine absagen müssen. Auch einer Aktuellen Stunde im Bundestag, bei der es um ihre Arbeit als Landesumweltministerin bei der Flutkatastrophe ging, war sie ferngeblieben. Zur Sitzung des U-Ausschusses in Mainz war sie am 11. März gekommen.

Die amtierende rheinland-pfälzische Umweltministerin Katrin Eder (Grüne) teilte mit, die Forderungen nach Rücktritten entbehrten jeder Grundlage. "Es ist unbestritten, dass die zuständigen Stellen vor Ort durch das dem Ministerium nachgeordnete Landesamt für Umwelt rechtzeitig informiert waren, wie es die Meldekette vorsieht." Auch die grünen Landesvorsitzenden Josef Winkler und Misbah Khan wiesen Rücktrittsforderungen zurück. Fraktionschef Bernhard Braun sieht keine Passivität Spiegels und verwies darauf, dass Spiegel am 14. Juli 2021 noch bis etwa 19 Uhr im Landtag und dort in Kontakt mit anderen Kabinettsmitgliedern gewesen sei. Zu der Zeit sei zudem schon der Katastrophenschutz vor Ort im Einsatz gewesen.

Auf Bundesebene hatten die Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour nach dem Auftritt Spiegels im Ausschuss gesagt, sie habe gezeigt, dass sie sich mit Verantwortungsbewusstsein und Empathie für die Menschen in diesem Land einsetzt und dass ihre erste Sorge den Menschen und ihrer Not gegolten habe.

Die Staatsanwaltschaft Koblenz, die unter anderem gegen den früheren Landrat des Kreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler (CDU), ermittelt, sieht auch rund acht Monate nach der tödlichen Flut mit insgesamt 135 Toten in Rheinland-Pfalz keine strafrechtlichen Versäumnisse der Landesregierung. Es gebe bislang keine Hinweise, dass etwa Minister hätten annehmen müssen, "dass die für den Katastrophenschutz zuständigen Stellen nicht in der gebotenen Weise tätig werden würden", teilte die Behörde vergangene Woche mit.

© dpa-infocom, dpa:220321-99-611579/5

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