Katastrophen:Auch weit entfernte Katastrophen haben Verbindung zueinander

Katastrophen
Im südlichen US-Bundesstaat Texas waren im Frühjahr wegen ungewöhnlich kalter Temperaturen Hunderttausende Menschen zeitweise ohne Strom. Foto: Sandy Carson/ZUMA Wire/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Bonn (dpa) - Bittere Kälte in Texas, brennende Wälder am Amazonas, eine Hitzewelle in der Arktis: Auch weit über den Globus verstreut auftretende Katastrophen haben einem neuen Bericht der UN-Universität zufolge klare Verbindungen zueinander.

Zu diesem Schluss kommen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach der genaueren Analyse von zehn verheerenden Ereignissen aus den Jahren 2020 und 2021, bei der sie auf vielfältige Beziehungen stießen. Die Untersuchung illustriere, dass von Menschen verursachte Katastrophen miteinander verbunden seien, aufeinander aufbauten und die Basis für künftige Katastrophen schafften, erklärte die Universität am Mittwoch in Bonn.

Zu den untersuchten Katastrophen zählten etwa die Waldbrände im Amazonasgebiet, die Hitzewelle in der Arktis, der Zyklon Amphan, die Kältewelle in Texas, die Heuschreckenplage am Horn von Afrika, aber auch die Corona-Pandemie und die Explosionskatastrophe im Hafen von Beirut. "Wir haben sehr unterschiedliche Ereignisse herausgepickt", sagte Zita Sebesvari, leitende Wissenschaftlerin an der Universität der Vereinten Nationen. "Wir wollten bewusst nicht nur Ereignisse auswählen, die offensichtlich mit dem Klimawandel zu tun haben."

Polarwirbel sorgt für kältere Luft in Nordamerika

Viele Katastrophen sind dennoch über das Klima verbunden. Die Autorinnen und Autoren nennen etwa die Hitzewelle in der Arktis und die Kältewelle in Texas. Die steigenden Temperaturen in der Arktis destabilisierten den Polarwirbel, eine sich drehende Masse kalter Luft über dem Nordpol. Dadurch könne kältere Luft in Richtung Nordamerika strömen. Temperaturveränderungen in der Arktis beeinflussten damit weitentfernte Orte - wie etwa den US-Bundesstaat Texas mit seinem normalerweise warmen Klima.

Zugleich verdeutlicht der Report, wie sich Katastrophen gegenseitig verstärken können. Beispiel ist etwa das Zusammentreffen der Corona-Pandemie und des Zyklons Amphan in der Grenzregion zwischen Indien und Bangladesch. Als der Zyklon die Region traf, vermieden viele Menschen aus Sorge um Abstand und Hygiene den Weg in Schutzunterkünfte und harrten an gefährlichen Orten aus. Der Zyklon selbst verschlechterte wiederum die Bedingungen für die Pandemiebekämpfung, da Gesundheitszentren zerstört wurden. Die Covid-19-Zahlen schnellten in die Höhe.

Pandemie als Katastrophen-Katalysator

Auch bei der Bekämpfung der Heuschreckenplage in Afrika spielte Corona den Angaben zufolge eine ungute Rolle. "Corona hat dazu geführt, dass notwendiges Material zur Bekämpfung der Plage verspätet oder gar nicht ankam. Auch Experten konnten nicht oder nur verspätet in die Krisenregion reisen", erklärte Wissenschaftlerin Sebesvari. In Beirut erschwerte die Pandemie ebenfalls die Bewältigung der Folgen der Hafen-Explosion - die Krankenhäuser waren bereits voll. Corona war eine Art Katastrophen-Katalysator.

Der Bericht "Interconnected Disaster Risks" nennt drei konkrete Ursachen, die für die meisten untersuchten Katastrophen verantwortlich gewesen seien: Treibhausgase, ein unzureichendes Katastrophenrisiko-Management und eine nicht ausreichende Abwägung von Umweltkosten und -nutzen bei politischen Entscheidungen. "Jede Katastrophe ist am Ende menschengemacht. Es gibt in diesem Sinne auch keine Naturkatastrophen. Es gibt nur Naturgefahren", sagte Wissenschaftlerin Sebesvari. "Und dann kommt es darauf an, wie der Mensch mit ihnen umgeht."

Das Positive aus Sicht der Autorinnen und Autoren: Nicht nur die Probleme sind miteinander verbunden, sondern auch die Lösungen. Weniger Treibhausgase könnten "weitreichende positive Auswirkungen" haben. Auch könne jeder Einzelne mit seinem Verhalten Katastrophen beeinflussen. Die Waldbrände im Amazonasgebiet etwa seien auch auf die globale Nachfrage nach Fleisch zurückzuführen. Um Soja als Futtermittel anzubauen, werde dort per Brand gerodet.

Man wolle nicht die Verantwortung auf jeden Einzelnen abwälzen, erklärte Wissenschaftlerin Sebesvari. "Aber es soll deutlich werden, dass jeder etwas beitragen kann. Dazu zählt etwa, weniger Fleisch zu essen oder Auto zu fahren." Ebenso wichtig sei, seine Verantwortung für Katastrophenvorsorge wahrzunehmen. "Man sollte zum Beispiel wissen, ob man in einem Gebiet lebt, das hochwassergefährdet ist."

© dpa-infocom, dpa:210908-99-137556/4

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