Katastrophe bei der Loveparade:Keine Toten - theoretisch

Hat die Polizei alles richtig gemacht? Wer war auf der Rampe für die Sicherheit verantwortlich? Die wichtigsten Fragen und Antworten aus der ersten Sitzung des NRW-Innenausschusses zur Katastrophe von Duisburg.

Bernd Dörries, Düsseldorf

Der Innenausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags hat sich am Mittwoch zum ersten Mal mit dem Unglück auf der Loveparade in Duisburg beschäftigt, bei dem 21 Menschen starben.

Trauerf um Opfer der Loveparade-Katastrophe

Trauer um die Toten: Während der Loveparade in Duisburg am 24. Juli wurden 21 Menschen bei einer Massenpanik erdrückt.

(Foto: ddp)

Die Stadt schickte keinen Vertreter, sondern eine anwaltliche Stellungnahme, die der Polizei und dem Veranstalter die Schuld an der Katastrophe gibt.

Innenminister Ralf Jäger (SPD) schilderte den Abgeordneten hingegen Verfehlungen von Stadt und dem Organisator.

Hier die wichtigsten Fragen:

Hat die Polizei alles richtig gemacht?

Innenminister Jäger sagte im Ausschuss, bei einer solch großen Veranstaltung sei es gar nicht möglich, dass die Polizei immer richtig gehandelt habe. Dann aber sprach er nur davon, was alles funktionierte am Unglückstag.

Das Wort Fehler kam in seinen Ausführungen nicht vor. Der CDU-Abgeordnete Peter Biesenbach will aber geklärt wissen, warum die Polizei nicht viel früher eingriff, als klar war, dass es im Tunnel und auf der Rampe zu einer kritischen Situation kommen würde.

Wer war auf der Rampe zum Gelände für die Sicherheit verantwortlich? Was passierte im Container vor der Rampe, von dem aus die Besucherströme geleitet werden sollten?

Für den Bereich des Veranstaltungsgeländes und der zum Unglückszeitpunkt überfüllten Zugangstunnel sei neben dem Loveparade-Veranstalter auch die Polizei zuständig gewesen, schreiben die Anwälte der Stadt Duisburg. Die Polizei sagt jedoch, sie habe im Tunnel und auf dem Veranstaltungsgelände "ihre eigenen Aufgaben gehabt", Aufnahme von Diebstählen und Fällen von Körperverletzung. Nur vier Hundertschaften befanden sich auf dem Gelände der Loveparade. In einem Container am Fuß der Rampe saß der Crowd-Manager des Veranstalters mit einem Verbindungsbeamten der Polizei. Sie sollten bei Besucherstaus in der Rampe die Schließung der Tunnel veranlassen. Wie Dieter Wehe, der Inspekteur der Polizei am Mittwoch sagte, hatte der Verbindungsbeamte der Polizei zwar ein Funkgerät dabei - das funktionierte in einer kritischen Zeit zwischen 15.16 und 15.30 Uhr aber nicht, weil das Netz überlastet war. Auch mit dem Handy gab es keinen Empfang.

Hat die Polizei frühzeitig gewarnt?

Polizei und Feuerwehr behaupten nach der Katastrophe, schon immer vor einem Unglück am Tunnel gewarnt zu haben. Stimmt das?

Nach Angaben der Stadt Duisburg gab es im Vorfeld der Loveparade 16 Sitzungen des Arbeitskreises Sicherheit, dem auch Angehörige der Feuerwehr und der Polizei angehörten. Bei keiner Sitzung habe es Kritik der Polizei gegeben. Die Sicherheitskräfte hätten sogar einen fünfstündigen Workshop durchgeführt, bei dem alle Krisenszenarien durchgespielt worden seien, auch der Stau an der Rampe. In der Theorie gab es keine Toten. Innenminister Jäger sagte hingegen, die Polizei habe mehrfach Kritik am Konzept geübt und noch unmittelbar vor der Veranstaltung die Eingangsschleusen zum Tunnel verlegt und eine bessere Sicherung zum Bahndamm hin angemahnt.

Hat die Stadt die Genehmigungen leichtfertig vergeben? Hat sie ihre eigenen Auflagen auch kontrolliert?

Die Stadtverwaltung spricht sich in dem von ihr selbst in Auftrag gegebenen Gutachten von aller Schuld frei. Was sie jedoch nicht erwähnt, ist, dass es in der Verwaltung massiven Widerstand gegen die Genehmigung der Loveparade gab. Ein Dezernatsleiter zum Beispiel weigerte sich, eine Genehmigung zu unterschreiben. Das ganze Genehmigungsverfahren war von großer Hektik und von Schlampereien seitens des Veranstalters geprägt. Die entscheidende Genehmigung wurde erst wenige Stunden vor der Veranstaltung erteilt, weil bis dahin noch Details der "Entfluchtungsanalyse" fehlten.

Welche Fehler hat der Veranstalter gemacht?

Der Veranstalter und Fitnessunternehmer Rainer Schaller schickte keinen Vertreter und kein Gutachten an den Ausschuss. Land, Polizei und Stadt Duisburg sind sich weitgehend einig, dass Schaller die Hauptschuld trägt. Innenminister Jäger warf ihm vor, im Bereich von Rampe und Tunnel viel weniger eigene Ordner eingesetzt zu haben als versprochen. Die Anwälte der Stadt berichten in ihrem Gutachten, dass der Veranstalter selbst bei Überfüllung der Tunnel handeln wollte, dies aber unterließ: "In der Szenarienbeschreibung bei Überfüllung ist als Verantwortlicher der Veranstalter gekennzeichnet." Der Veranstalter habe am Unglückstag zudem mehrfach zu "ordnungsgemäßem Handeln" aufgefordert werden müssen. Nach Ansicht der Polizei hätten die privaten Sicherheitsdienste von Schaller zwei Schleusen zum Tunnel geöffnet, als dieser wegen Überfüllung längst abgeriegelt gewesen war. Damit hätten noch mehr Menschen auf die ohnehin überfüllte Rampe gedrückt. Der FDP-Abgeordnete Horst Engel sagte, das Sicherheitskonzept der Veranstalter sei schöngerechnet worden und gehe von einer viel zu großen Zahl von Menschen aus, die durch die Tunnel auf das Gelände der Loveparade geschleust werden könnten. Bernd Dörries

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