Nach den Anschlägen von München und Magdeburg:Wie lassen sich Karnevalsumzüge schützen?

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Einsatzkräfte der Polizei sichern einen Faschingsumzug in Thale. (Foto: Matthias Bein/picture alliance/dpa)

In Münster sollen Reisebusse als Sperre eingesetzt werden, in Köln bittet die Polizei die Jecken um Mitarbeit, in Marburg wird der Zug in eine stationäre Party umgewandelt – und mancherorts fällt der Fasching ganz aus. Ein Überblick über die Vorkehrungen.

Von Alexander Menden

Es gibt eine gute Nachricht für die Jecken in Neukirchen-Vluyn: Der dortige Rosenmontagsumzug wird stattfinden. Das war eine Zeit lang alles andere als sicher. Ende Januar hatte einer der ausrichtenden Karnevalsvereine in der Gemeinde am Niederrhein, die „Neukirchen-Vlü-Ka-Ge Rot-Weiss“, wegen der seiner Meinung nach zu strikten Sicherheitsauflagen eine Absage erwogen.

Der Verein argumentierte, für die Sperrung der Zufahrten werde man zu viele private Autos als Prellbock verwenden müssen, die dann im Falle eines Angriffs auf den Zug mit einem Auto möglicherweise nicht versichert wären. Nun hat ein anderer Verein, die „KG Blau-Weisse Funken“, ein Sicherheitskonzept vorgelegt, das weniger Absicherungen erfordert und mit dem die Polizei einverstanden ist.

Es können also Kamelle fliegen in Neukirchen-Vluyn. Aber der Fall zeigt exemplarisch, dass die Sicherheitsvorkehrungen in dieser Session die Planungen in den Faschingshochburgen noch mehr beherrschen als sonst. Laut dem „Bund Deutscher Karneval“ werden in ganz Deutschland rund dreieinhalbtausend Umzüge stattfinden. Nach den tödlichen Anschlägen von Magdeburg und München, bei denen die Täter jeweils mit Autos in Menschenmengen gefahren waren, sei die Lage „unentspannt“, befand Martin Lotz, Einsatzleiter der Kölner Polizei, in dieser Woche. In München wurden Veranstaltungen wie der traditionelle Tanz der Marktweiber allein schon aus Pietätsgründen abgesagt.

Was die Sicherheit angeht, so sind Betonpoller, Fahrzeugsperren, Absperrgitter und Polizeikontrollen ohnehin seit Jahren deutschlandweit Standard. Doch die Sorge, es könne gerade in diesem Jahr Versuche ähnlicher Angriffe in der Hochzeit des Straßenkarnevals geben, hat mancherorts zu so scharfen – und teuren – Auflagen für die Zufahrtsicherheit geführt, dass die veranstaltenden Vereine sich finanziell nicht in der Lage sahen, den Zug zu organisieren.

Teure Sperren mit Bussen oder Lastwagen

Im hessischen Marburg etwa wird er durch eine „Festmeile“ mit stationären Mottowagen ersetzt, die sich leichter sichern lässt. In Erfurt in Thüringen und in Kempten im Allgäu wurden die Umzüge jeweils abgesagt. Die Veranstalter in Bayern konnten die zusätzlich nötigen 50 000 Euro für Betonblöcke oder Fahrzeuge zur Sicherung der Zufahrtstraßen nicht aufbringen. Gerade Bus- oder Lkw-Sperren sind aufgrund des Personalaufwands besonders kostenintensiv, da sie permanent bemannt sein müssen, um im Notfall etwa für Einsatzfahrzeuge Platz machen zu können.

Mancherorts finden die Umzüge mit erweiterten Sicherheitskonzepten statt. So werden in Moers, unweit von Neukirchen-Vluyn, doppelt so viele Sperren wie 2024 zum Schutz des Umzugs errichtet, dessen Weg zudem abgekürzt wird. Eine Änderung der Route zur besseren Sicherung gibt es auch in Bochum-Wattenscheid. In Aachen sollen mehr Seitenstraßen gesperrt werden, die zum Umzug führen. Die entsprechenden beweglichen Sperren hat hier die Stadt selbst besorgt.

In Münster wiederum nutzt man den Umstand, dass viele Karnevalstouristen aus den nahen Niederlanden nach Westfalen kommen. Deren Reisebusse sollen nun als Sperren am Zugweg eingesetzt werden. Die Busse stünden sonst ohnehin nur fünf Stunden lang auf dem Schlossplatz herum, sagte Marian Waltersmann, Zugkommandant des „Bürgerausschusses Münsterscher Karneval“, dem WDR: „Die können dann auch fünf Stunden lang auf der Straße stehen, als Terrorsperre.“

Die größten Städte erwarten auch die mit Abstand meisten Menschen – beim Kölner Rosenmontagszug allein zwölfeinhalbtausend Teilnehmerinnen und Teilnehmer und rund eine Million Menschen am Rand. Doch sind dort natürlich auch die Kapazitäten und Vorkehrungen weit ausgeprägter als in kleineren Gemeinden. „Die Sicherheitslage ist auf jeden Fall angespannter als in den Vorjahren“, sagt Hauptkommissar Sascha Wallmeroth von der Polizei Köln.

Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht

Allein an Weiberfastnacht würden etwa 1400 Beamte zusätzlich zum normalen Dienst im Einsatz sein. Eine solche Präsenz sei aufgrund des hohen Alkoholkonsums und daraus resultierender Schlägereien und sexualisierter Übergriffe ohnehin nötig. Gerade in Bezug auf mögliche Angriffe radikalisierter Einzeltäter sei es aber auch wichtig, „dass die Feiernden selbst die Augen offenhalten und uns ansprechen, wenn sie irgendetwas Auffälliges sehen“, sagt Wallmeroth.

Noch einmal verschärft hat sich die Sicherheitslage in der Stadt am Rhein, seit die Terrororganisation „Islamischer Staat“ laut Medienberichten zu Anschlägen unter anderem im Kölner Karneval aufgerufen hat. Solche Veröffentlichungen zielten auch darauf ab, die Bevölkerung zu verunsichern, sagte der Einsatzleiter der Kölner Polizei, Martin Lotz, der Deutschen Presse-Agentur. Man werde das Einsatzkonzept aber noch einmal anpassen: „Wir werden die Einsatzkräfte aufgrund des Posts noch einmal sensibilisieren und fortlaufend informieren.“ Aus Sicherheitskreisen hieß es, die Aufrufe seien bekannt und würden auch ernst genommen. Neu seien solche Aufrufe zu Gewalttaten über IS-Propagandakanäle nicht.

In Mainz, einer weiteren Karnevalshochburg, sieht man keinen Anlass für eine grundlegende Veränderung des bestehenden Sicherheitskonzeptes. „Wir sind ähnlich aufgestellt wie in den Jahren zuvor und ändern nichts im Kern, sondern passen Details an – aber auch nicht so, dass wir darüber viel reden würden“, erklärt Rinaldo Roberto, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Mainz. Anschläge mit Autos würden jedenfalls schon seit Langem mitgedacht. Die Stadt sei besonders bei fest installierten Sperren Vorreiterin mit einem „extrem guten Sperrkonzept“ gewesen.

Was München aber gezeigt habe, sei, dass auch ein perfekt geplanter Einsatz nicht jeden Anschlag verhindern könne, sagt Roberto: „Hundertprozentige Sicherheit kann man nicht gewährleisten.“

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