Karneval:Aufrüsten für Rosenmontag

Jäger: Mehr Polizei und Video-Überwachung im Kölner Karneval

Zäune und Videoüberwachung: Die Polizei will an Karneval mehr Präsenz zeigen.

(Foto: dpa)

Silvesternacht und Terrorangst werfen Schatten auf den Karneval in Nordrhein-Westfalen. Die Polizei plant Zäune und Videoüberwachung und fordert Rücksicht bei der Kostümwahl.

Von Kristiana Ludwig, Düsseldorf

Kurz ist die Lederhose. Sie reicht bis zum Oberschenkel, darunter trägt die junge Frau eine Strumpfhose, die warm halten soll und trotzdem die Farbe ihrer Beine hat. Es ist noch lange nicht Rosenmontag, aber in Köln wird schon gefeiert. "Karneval!", ruft ein junger Mann den Frauen über den Heumarkt zu. Dabei dreht er einen Finger in der Luft wie ein Blaulicht. Die Männer hinter ihm lachen. "Solange man in einer großen Gruppe unterwegs ist, fühlt man sich sicher", sagt Vanessa Emmerich, eine der Frauen. Sie und ihre Freundinnen schauen an den Männern vorbei - und gehen einen Schritt schneller.

Drei Wochen sind vergangen, seitdem wohl junge Nordafrikaner ein Gedränge vor dem Kölner Hauptbahnhof nutzten, um Frauen zu überfallen. Seither tobt eine Debatte, um Zuwanderer, Massen und um Sicherheit im öffentlichen Raum. Im Rheinland und überall dort, wo die Karnevalszeit so langsam ihrem Höhepunkt zusteuert, hat diese Diskussion viel mit den Straßenfesten Anfang Februar zu tun. Die Kommunen sehen eine neue Gefahrenlage, genauso wie viele Jecken.

"Kölner Mädchen lernen von klein auf: Ellenbogen raus"

45 Euro kostet die Karte für die Damensitzung der Prinzen-Garde im Festsaal Gürzenich in der Kölner Altstadt, es ist ein Mittwoch, im Foyer gibt es Reibekuchen, fünf Matrosinnen stehen an der Bar. Eine Karnevalsfeier nur für Frauen. Die Teilnehmerinnen haben Lichterketten in ihre Tüllröcke geflochten und auf ihre Wangen Anker gemalt. Auf die Domplatte? Dort würde keine Kölnerin an Silvester hingehen, sagt Pia Jentsch, die 39 Jahre alt ist und eine dicke Glitzerschicht auf den Augenlidern verteilt hat. Ebenso wenig wie zur Karnevalszeit. Am Hauptbahnhof und über die Ausgehmeile drücken sich die Touristen und die Volltrunkenen, dort kann es unangenehm werden. Das wissen diejenigen, die hier groß geworden sind, meint sie. "Kölner Mädchen lernen von klein auf: Ellenbogen raus. Wir haben immer Platz."

Neu ist, dass unter den Frauen in Nordrhein-Westfalen ein Tipp für Karneval kursiert. Er heißt: Pfefferspray. In Leverkusen waren Tierabwehrsprays in der vergangenen Woche ausverkauft, schreibt die Lokalzeitung, und auch in Essen, Wesel oder dem ostwestfälischen Bünde können Händler die Dosen kaum nachliefern - obwohl der Einsatz des Sprays gegen Menschen verboten ist.

2400 Polizeianwärter werden zusätzlich in den Karneval geschickt

Die Kölner Polizei will in diesem Jahr "deutlich mehr Präsenz zeigen", sagt Einsatzleiter Michael Temme. Diesmal werde man den Karnevalseinsatz nicht wie einen Einsatz bei einem Volksfest planen, sondern mit verschärften Sicherheitsmaßnahmen. So wie bei einer Demonstration oder bei einem Fußballspiel. Die Beamten wollen Plätze mit Zäunen absperren, sie ausleuchten und per Video überwachen. Sie wollen ganze "Platzflächen umzingeln", sagt Temme. Verdächtigen, die mit den Übergriffen an Silvester in Verbindung stehen, will die Polizei mit Auflagen den Straßenkarneval verbieten.

Schon in den vergangenen Jahren hatten private Sicherheitsdienste für die Stadt Zugänge kontrolliert, um ein Glasverbot durchzusetzen. Diesmal sollen Polizisten mit ihnen zusammen an den Kontrollpunkten stehen, sagt Einsatzleiter Temme. Zumindest, wenn das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste den Kölnern genügend Kräfte schickt. Für den Silvesterabend habe die Duisburger Behörde ihnen zunächst weniger Beamte bewilligt, als er angefordert habe. Auch die Karnevalsveranstalter wollen beim Rosenmontagszug die Funkkontaktpunkte mehr als verdoppeln, auf knapp 200.

Schon zuvor hatte die Kölner Stadtverwaltung alle Ordnungsämter in Nordrhein-Westfalen angeschrieben und "dringend" um erfahrene Ordnungskräfte gebeten, die in den Karnevalstagen in Köln aushelfen. Gemeldet habe sich bislang niemand, sagt eine Stadtsprecherin. Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) kündigte an, 2400 Polizeianwärter ab dem vorletzten Studienjahr zusätzlich in den Straßenkarneval zu schicken. Im Rheinland sollen sie die Umzüge bewachen und Informationspunkte besetzen, sagte Jäger im Innenausschuss des Landtags. In diesen Zeiten "Azubis" einzusetzen, sei riskant, warf ihm die Opposition vor.

Die Beamten bitten um "Fingerspitzengefühl"

Auch die Polizei im rheinischen Mönchengladbach spricht von einer "angespannten Sicherheitslage". Sie meint damit jedoch nicht die Silvestervorfälle, sondern eine "Terrorgefahr". Die Beamten bitten in diesem Jahr "um Fingerspitzengefühl" bei der Wahl des Kostüms. Dschihadist mit Sprengstoffgürtel: schwierig. Cowboy mit Pistolenattrappe: sehr schwierig. Die Kölner Polizei gibt zwar keine offiziellen Warnungen heraus, appelliere aber "an den gesunden Menschenverstand", sagt ein Sprecher. Plastikwaffen seien irritierend, weil sie sich häufig kaum von den echten unterschieden. Der große Kostümhandel Karnevalswierts in Köln bemerke von diesem Appell allerdings nichts, sagt Abteilungsleiterin Antonia Guerreo. Militärische Verkleidung und Spaßausrüstung "kaufen die Leute nach wie vor", sagt sie.

Der Stadt Rheinberg genügten solche Warnungen nicht. Sie sagte ihren Rosenmontagszug wieder ab, weil ihr kein Sicherheitskonzept gelungen sei. Auch "aufgrund der aktuellen Geschehnisse im Zusammenhang mit Zuwanderern, insbesondere der Vorkommnisse in Köln und anderen großen Städten" müsse der Zug ausfallen, heißt es in einer Stellungnahme. Schließlich wären die Wagen mitsamt der alkoholisierten Zuschauer an einer Flüchtlingsunterkunft vorbeigezogen. "Es könnte von beiden Seiten etwas passieren", sagt Jonny Strey vom Ordnungsamt. Er denke dabei auch zurück an das vergangene Jahr, in dem im Nachbarort Alpen Jugendliche den Kinderkarnevalsumzug "aufgemischt" hätten. Auf einem Aldi-Parkplatz betranken sie sich und stellten Lautsprecher auf. Das Karnevals-Komitee verlegt seine Feiern nun in ein Zelt. Flüchtlinge seien hier natürlich willkommen, sagt die Schriftführerin Nadine Geldermann.

Der Bonner Festausschuss hat eine Broschüre ins Arabische übersetzt

Auch in anderen Städten bemühen sich Veranstalter darum, Toleranz zu zeigen. Der Festausschuss des Bonner Karnevals hat in diesem Jahr die Broschüre, mit der er das Prinzenpaar vorstellt, ins Arabische übersetzt. Das Festkomitee in Köln verteilt mehrsprachige Flyer in Flüchtlingsheimen und Ämtern. Sie sollen das rheinische Brauchtum erklären: "Ein Lächeln des anderen zeigt, ob er mit Dir feiern möchte. Zur Musik haken sich Kölner beim Nebenmann ein."

Am Rosenmontag werden hier einige Wagen allerdings auch nachdenkliche Motive zeigen. Eine Frauenfigur etwa, die Augen gerötet, blickt durch die zerbrochenen Gläser einer Brille. Die Wagenbauer erklären es so: "Mutter Colonia hat ein Problem, denn ihre rosarote Brille ist kaputt."

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