Karlsruhe:BGH beanstandet Staufen-Urteile

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Zwei der Angeklagten droht nun doch noch Sicherungsverwahrung.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Mehrjährige Haftstrafen, darunter zwölfeinhalb und zwölf Jahre gegen die Hauptangeklagten, das war im vergangenen Jahr das Ergebnis der strafrechtlichen Aufarbeitung des vielfachen Missbrauchs eines Jungen aus Staufen. In den meisten Fällen hatte das Freiburger Landgericht zudem Sicherungsverwahrung verhängt, womit die Haft auch über die Verbüßung der eigentlichen Strafe hinaus fortgesetzt werden kann. Am Donnerstag hat der Bundesgerichtshof zwei der Staufen-Urteile teilweise aufgehoben - beides Fälle, in denen das Landgericht auf die potenzielle Dauerhaft verzichtet hatte. Nicht ausgeschlossen, dass die beiden Täter in einem neuen Verfahren nun doch mit Sicherungsverwahrung rechnen müssen.

Das könnte vor allem einem Mann aus Spanien drohen, der den damals achtjährigen Jungen 2016 und 2017 in 14 Fällen schwer missbraucht hatte. Immer wieder reiste er aus Spanien an und zahlte beträchtliche Summen an den Lebensgefährten der Mutter, der ihm den Jungen regelrecht verkaufte. Wegen der Vielzahl der Taten und der umfangreichen Vorbereitungen hatte das Landgericht dem pädophil veranlagten Mann zwar ein hohes Rückfallrisiko attestiert. Gleichwohl stellte es eine "langfristig positive Legalprognose", weil er "grundsätzlich rechtstreu" und zudem therapiewillig sei. Das Gericht beließ es bei zehn Jahren Haft.

Die Haftstrafe ist nach dem BGH-Urteil nun zwar rechtskräftig. Beim Verzicht auf die Sicherungsverwahrung ist den Freiburger Richtern aber laut BGH ein schwerer handwerklicher Fehler unterlaufen. Voraussetzung für die Sicherungsverwahrung ist erstens ein "Hang" zu Sexualstraftaten, also ein "eingeschliffenes Verhaltensmuster" - mithin hätte das Gericht einen Blick auf die Vergangenheit richten müssen, in der auch der Umgang mit Kinderpornografie eine Rolle gespielt hatte. Zweitens muss das Gericht in die Zukunft schauen: Besteht eine echte Chance, dass er von seinem gefährlichen "Hang" zum sexuellen Missbrauch wegkommt? Aus Sicht des BGH hat das Landgericht aber beides in einen Topf geworfen und sich deshalb selbst den Blick auf eine mögliche Gefährlichkeit des Mannes verstellt. Ähnlich war es im zweiten Fall, da ging es um einen Soldaten, der zu acht Jahren verurteilt worden war. Auch hier ist das Urteil fehlerhaft, weshalb eine neue Prüfung nötig ist.

© SZ vom 10.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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