Es waren Worte, die aufhorchen ließen. Vor drei Wochen kamen aus dem Vatikan Sätze, die, zumal aus Rom, fast linksradikal zu klingen schienen. In seinem Apostolischen Schreiben mit dem Titel "Evangelii gaudium", "Freude des Evangeliums", erlaubte sich Papst Franziskus eine scharfe Kapitalismus- und Reichtumskritik.
Sie gipfelte in Formulierungen wie "Das Geld muss dienen und nicht regieren" oder "Diese Wirtschaft tötet". Es war eine flammende Programmschrift, die sich nicht nur an und gegen die Kirche, sondern auch gegen die Entwicklungen in Politik und Wirtschaft richtete.
Nach Wochen des Aufruhrs und auch der Kritik, insbesondere von Seiten der Wirtschaft und aus konservativen Kreisen, hat sich Franziskus nun in einem langen Interview zur Wehr gesetzt. Was Kritiker als "reinen Marxismus" abtaten, verteidigt der Papst nun als Leitlinien, die schlicht der Soziallehre der Kirche entsprächen. Dass er sich in diesem Sinne geäußert habe, mache ihn noch nicht zum Marxisten, sagte Franziskus in dem Gespräch mit der italienischen Zeitung La Stampa.
"Die Ideologie des Marxismus ist falsch", betonte Franziskus, fügte aber hinzu: "Ich habe in meinem Leben jedoch viele Marxisten getroffen, die gute Menschen waren." Deswegen fühle er sich von der Kritik nicht getroffen. Das Versprechen des Kapitalismus, dass der Reichtum irgendwann auch bei den Armen ankomme, habe sich nicht erfüllt.
Kardinal Marx pflichtet Kapitalismuskritik bei
Auch Kardinal Reinhard Marx verteidigte den Papst gegen Kritik an dessen Aussagen zur Wirtschaft. In einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung pflichtet Marx dem Diktum "Diese Wirtschaft tötet" bei: "Ja, ein solcher Kapitalismus zerstört Menschenleben und schadet dem Gemeinwohl." Der Appell, über den Kapitalismus hinauszudenken, bedeute keinen Kampf gegen die Marktwirtschaft, sondern angesichts der realen Krise des Kapitalismus "die wichtige und notwendige Intervention des Papstes". Die Welt dürfe nicht akzeptieren, dass Völker, Gruppen und Einzelne ausgeschlossen würden.
"Nein, die Kirche verachtet die Reichen nicht", schreibt der Münchner Kardinal in Bezug auf einen entsprechenden Vorwurf ebenfalls in der FAS. Aber sie erinnere daran, dass die materiellen Güter Mittel zum Zweck sind und nicht den Sinn des Lebens darstellten. "Wir müssen globale politische Rahmenbedingungen schaffen, die orientiert sind am Wohl der Völker, besonders an dem der ärmeren", so Marx. Hier habe die katholische Kirche im Zeitalter der Globalisierung eine besondere Aufgabe. Sie dürfe sich nicht aus "Angst vor dem rauen Wind der Kritik (...) in eine religiöse Sonderwelt zurückziehen".
Papst preist Weihnachten als Zeit der Hoffnung
Der Papst kritisiere die "Ökonomisierung aller Lebensbereiche" zu Recht. Das bedeute, den Rhythmus der Gesellschaft den Verwertungsinteressen des Kapitals zu unterwerfen, wodurch der Kapitalismus zum globalen und ganzheitlichen Maßstab werde. Der Kapitalismus werde wie ein urwüchsiges Geschehen betrachtet, dem sich die Menschen anpassen müssten. Die Gestaltung von Märkten, die politische Korrektur von Marktergebnissen, die Regelung und Ordnung von Kapitalmärkten werde dagegen als "notwendiges Übel" empfunden.
Papst Franziskus ging in dem Zeitungsinterview auch auf weitere Themen seiner bisherigen Amtszeit sowie seiner Reformagenda ein, etwa auf das Leid der Armen sowie der Ordination von Frauen, der Franziskus erneut eine Absage erteilte. Frauen müssten in der Kirche gewertschätzt, nicht aber "klerikalisiert" werden.
Franziskus, der am morgigen Dienstag 77 Jahre alt wird, feiert in der kommenden Woche zum ersten Mal Weihnachten als Kirchenoberhaupt. Weihnachten sei eine Zeit der Hoffnung und der Sanftheit, die die Menschen aus ihrer Gleichgültigkeit im Angesichts des Leids in der Welt reißen solle, sagte der Papst.