Kanarische Inseln:Der Hippie mit dem Klopapier

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Das Feuer hat bereits mehr als 3000 Hektar Pinienwald zerstört. (Foto: Borja Suarez/Reuters)

Die Waldbrände auf La Palma sind noch immer nicht unter Kontrolle. Ein Forstbeamter kam ums Leben, der deutsche Verursacher sitzt in Haft.

Von Thomas Urban, Madrid

S. S. V. bekommt nun endlich ein Dach über den Kopf, seine eigenen vier Wände und eine Adresse. Doch gefallen wird ihm das neue Heim wohl eher nicht. Es wird ein spanisches Gefängnis sein. S. S. V., das ist ein 27-jähriger Deutscher, der am Mittwoch auf der Kanareninsel La Palma einen großen Waldbrand entfacht haben soll. Mehr als diese drei Buchstaben gaben die Behörden nicht zu seiner Identität bekannt. Er sei ohne festen Wohnsitz gewesen, die Lokalmedien wollen wissen, dass er in einer Höhle oberhalb des malerischen Dorfes El Paso gelebt habe. Ein Aussteiger, ein Nachzügler der Hippie-Generation, die in den Achtzigerjahren vor allem auf den kleinen Kanareninseln La Gomera und La Palma ihr Glück zu finden hoffte.

Der mutmaßliche Brandstifter war von der Polizei aufgegriffen worden, als er über eine Straße unterhalb des bereits entdeckten Brandes taumelte. Er habe zugegeben, dass er in einem Pinienwald seine Notdurft verrichtet und das benutzte Klopapier angezündet habe, da er die Umwelt nicht verschmutzen wollte. Dabei aber sei der zundertrockene Boden im Nu in Flammen aufgegangen. S. S. V. befindet sich seitdem in Untersuchungshaft. Ihm drohen wegen fahrlässiger Brandstiftung mehrere Jahre Gefängnis. Die Zeitung El País schrieb in ihrer Onlineausgabe, der Mann sei zuvor mehrmals wegen "kleinerer Diebstähle" angezeigt worden.

Zwar sind die Feuerwehren auf La Palma besonders für Waldbrände trainiert, es gibt sie jedes Jahr. Doch nun kann das Feuer fast nur von oben bekämpft werden, das Gebiet prägen steil aufragende Felsen und tiefe Schluchten. Immerhin kam am Freitag Verstärkung vom spanischen Festland, wo allerdings in der derzeitigen Hitzewelle ebenfalls ganzen Landstrichen Waldbrände drohen. Hinzu kommt, dass auf La Palma der Wind bereits mehrmals gedreht hat, sodass sich die Flammen mittlerweile in alle Himmelsrichtungen ausbreiten. Einer der erfahrensten Waldhüter der Insel, der einen der Einsätze koordinierte, wurde von den Flammen eingeschlossen und konnte sich nicht mehr retten. Der 54-Jährige hinterlässt eine Frau und fünf Kinder.

Mehr als 2500 Einwohner der Dörfer und Feriensiedlungen mussten ihre Häuser verlassen. Bis Freitagnachmittag hatte der Brand bereits mehr als 3000 Hektar Pinienwald zerstört - eine Fläche, die größer als die Nordseeinsel Norderney ist. Die Natur wird sich bald erholt haben: Von den heißen Sommerwochen abgesehen, ist in den Wäldern La Palmas die Luftfeuchtigkeit sehr hoch. Bäume und Büsche speichern wurzeltief Wasser und können sich, selbst wenn sie völlig verkohlt sind, rasch regenerieren. Nach einem Jahr treiben die Stümpfe meist wieder grüne Triebe; nach einem Jahrzehnt sind von einer Feuersbrunst keine Spuren mehr zu sehen. So lange wird S. S. V. sicher nicht sitzen müssen. Die Polizei wird ihm wohl auch erklären, dass Klopapier der Natur nicht schadet. Es zersetzt sich nach wenigen Monaten, wenn man es mit Blättern und Erde bedeckt.

© SZ vom 06.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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