Süddeutsche Zeitung

Großfahndung in Kanada:Flucht in den Tod

  • Die kanadische Polizei hat am Ufer des Nelson River in der Provinz Manitoba die Leichen zweier Männer gefunden.
  • Dabei soll es sich um die landesweit wegen Mordes gesuchten Teenager Bryer Schmegelsky und Kam McLeod handeln.
  • Die Menschen in der Gegend sind erleichtert. Für die Polizei aber wird das Motiv der mutmaßlichen Mörder wohl schwer zu ermitteln sein.

Von Moritz Geier

Es war nur eine kurze Nachricht, die die Royal Canadian Mounted Police der Provinz Manitoba am Mittwoch, 14.04 Uhr Ortszeit, auf Twitter veröffentlichte, aber es war eine Nachricht, auf die ein ganzes Land gewartet hatte: "Die Suche ist vorbei." Am Morgen um zehn Uhr hätten Polizeibeamte die Leichen zweier Männer entdeckt, im Dickicht am Ufer des Nelson River: Bryer Schmegelsky und Kam McLeod, beide wohl 19, die mit einer spektakulären Flucht nicht nur in Kanada, sondern weltweit Schlagzeilen gemacht hatten.

Die kanadische Polizei transportierte die Leichen am Mittwoch nach Winnipeg, eine Autopsie soll die Todesursache klären und ihre Identität bestätigen. Es ist das Ende einer Fahndung von immensem Ausmaß, bei der sogar Panzer und Militärflugzeuge zum Einsatz kamen. Schmegelsky und McLeod sollen in der Provinz British Columbia einen 64-jährigen Kanadier getötet haben. Auch im Fall zweier erschossener Touristen, einer jungen Amerikanerin und ihrem australischen Freund, gelten die beiden als Hauptverdächtige. Das Motiv ist völlig unklar.

Auf ihrer Flucht quer durch Kanada legten die beiden etwa 4000 Kilometer zurück und durchkreuzten vier Provinzen. Wenn Verbrecher fliehen, hat das immer schon die Fantasie der Menschen angeregt, Bonnie und Clyde etwa, Henri Charrières Papillon, die abenteuerlichen Gefängnisausbrüche mexikanischer Drogenbosse. Im Fall der kanadischen Teenager aber beschäftigte die Menschen noch eine andere Frage: Kann man nicht nur der Polizei und der Justiz, kann man der ganzen Zivilisation entkommen?

Der Fundort der Leichen liegt etwa acht Kilometer entfernt von der Stelle nahe dem Städtchen Gillam in der Provinz Manitoba, an der vor zweieinhalb Wochen das brennende Fluchtauto der Teenager gefunden worden war. Bei Gillam endet mehr oder weniger die Zivilisation, hier beginnt die Wildnis, Sümpfe, Wälder, raues Terrain. Die Polizei musste bei der Suche nach den Verdächtigen ein riesiges Gebiet durchkämmen, 11 000 Quadratkilometer, lebensfeindlich und schwer zugänglich.

Experten bezweifelten, dass die zwei in der freien Natur lange überleben könnten. Man müsse wissen, wie man Wasser findet und trinkbar macht. In der Nacht fallen die Temperaturen in der Gegend in den einstelligen Bereich, Unterkühlung und Flüssigkeitsmangel seien ständige Gefahren. Das Gelände ist zudem sumpfig, voll von Parasiten und blutsaugenden Insekten: Moskitos, Bremsen, Sandmücken. Auch Bären und Wölfe streifen durch die Gegend. Überleben könne man nur mit Erfahrung und guter Vorbereitung.

In Australien schaffte es der flüchtige Mörder Malcolm Naden einst, sieben Jahre in einer abgelegenen und dicht bewaldeten Gegend in New South Wales unterzutauchen. 2012 wurde er in einer Waldhütte aufgestöbert und von Spezialkräften bei einer nächtlichen Razzia überrascht und festgenommen. Polizeiaufnahmen zeigten einen verdreckten Mann mit zotteligem Bart in den Händen der Fahnder.

Die entscheidende Spur: ein verbeultes Aluminiumboot

Schmegelsky und McLeod kommen aus Port Alberni im Süden der Provinz British Columbia, sie hatten ihre Jobs bei Walmart aufgegeben und waren laut Angehörigen losgezogen, um in der Provinz Alberta Geld zu verdienen. Stattdessen sollen sie Menschen ermordet haben. Womöglich bleibt die Frage nach dem Warum nun für immer unbeantwortet. "Es wird jetzt extrem schwer für uns werden, endgültig festzustellen, was ihr Motiv war", sagte Kevin Hackett von der ermittelnden Polizei in British Columbia am Mittwoch auf einer Pressekonferenz. Ob etwa die Mobiltelefone der mutmaßlichen Mörder ebenfalls gefunden wurden, ist derzeit noch nicht bekannt.

Die Ungewissheit und Furcht vor den mutmaßlichen Mördern hat die Menschen in Manitoba wochenlang in Atem gehalten. Immer wieder erhielt die Polizei auch Hinweise aus der Bevölkerung, jemand wollte sie gesehen haben, vielleicht hier, vielleicht dort. Nichts davon konnte die Polizei bestätigen. Ein verbeultes Aluminiumboot, das Polizisten von einem Helikopter aus am 2. August am Ufer des Nelson River entdeckten, lieferte schließlich die entscheidende Spur: In der Nähe fanden Beamte erst wichtige Beweisstücke, dann die Leichen. Um welche Gegenstände es sich bei den Beweisstücken handelt, hat die Polizei nicht verraten.

Gillams Bürgermeister Dwayne Forman sprach von einer "absoluten Erlösung" für die Bewohner der Gegend. Am Ende hat sich metaphorisch bestätigt, was der Bürgermeister noch ganz wörtlich gemeint hatte, als die Suche in seiner abgelegenen Region begann: "Gillam ist das Ende des Weges."

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