Kachelmann-Prozess:Unappetitliche Fragen

Das Gericht gehe mit "voyeuristischer Genauigkeit" dem Sexualleben von Jörg Kachelmann nach. Johann Schwenn, der neue Verteidiger, nutzt die Befragung einer weiteren Ex-Geliebten zu scharfen Angriffen, auch auf Medien und Staatsanwaltschaft.

Hans Holzhaider

Verbindlich im Ton, aber äußerst scharf in der Sache hat sich Johann Schwenn, der neue Verteidiger des ehemaligen Wettermoderators Jörg Kachelmann vor dem Landgericht Mannheim eingeführt. Die Vernehmung einer weiteren Zeugin, die in der Vergangenheit eine sexuelle Beziehung mit Kachelmann hatte, nahm Schwenn zum Anlass für scharfe Kritik an der Prozessführung des Gerichts, an der Mannheimer Staatsanwaltschaft und am Medienhaus Burda, dem Herausgeber der Zeitschrift Bunte.

Kachelmann-Prozess - Schwenn

Er steht für eine neue, aggressivere Verteidigungsstrategie im Kachelmann-Prozess: Staranwalt Johann Schwenn aus Hamburg. 

(Foto: dpa)

Die Zeugin Gabriele G. wurde, wie alle anderen ehemaligen Kachelmann-Gefährtinnen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen. Schwenn nutzte jedoch das Recht des Verteidigers, nach jeder Zeugenaussage eine Erklärung abzugeben, um das Beweisprogramm und die Fragepraxis des Gerichts als Verletzung der Persönlichkeitsrechte Kachelmanns zu geißeln.

Schwenn berief sich auf die Richter des ersten Strafsenats des Bundesgerichtshofs, der gegebenenfalls über eine Revision im Fall Kachelmann entscheiden müssten. Es sei eine "tiefe Kränkung dieser Richter", wenn das Gericht glaube, "mit voyeuristisch anmutender Genauigkeit dem Sexualleben des Angeklagten nachgehen zu müssen", sagte Schwenn. Die Zeugin habe klar zu erkennen gegeben, dass zwischen ihr und Kachelmann auf sexuellem Gebiet volles Einvernehmen geherrscht habe. Das Gericht habe sie trotzdem bedrängt, konkrete Details zu nennen. Gerade durch das Bemühen der Zeugin, ihre Privatsphäre zu schützen, sei deutlich geworden, "wie unappetitlich und abstoßend dieses Frageprogramm ist", sagte Schwenn.

Der Bunten, und speziell deren Chefreporterin Tanja May, warf Schwenn vor, sie habe in einer "prozessbegleitenden Berichterstattung der besonderen Art" ehemalige Partnerinnen Kachelmanns, die auch als Zeuginnen aussagen mussten, dazu benutzt, um Stimmung gegen den Angeklagten zu machen. Eine Zeugin hatte vor Gericht eingeräumt, dass sie noch vor ihrer Aussage vor Gericht einen Exklusivvertrag mit der Bunten abgeschlossen hatte. Die Mannheimer Staatsanwaltschaft erscheine ihm "als eine Verfahrensbeteiligte, die gemeinsam mit dem Haus Burda anstrebt, den Angeklagten fertigzumachen", sagte Schwenn.

Staatsanwalt Lars-Torben Oltrogge verwahrte sich gegen diese Unterstellung. Es sei mitnichten die Staatsanwaltschaft gewesen, die das Verfahren in die Medien getragen habe, sagte er. Das müsse sich die Verteidigung Kachelmanns selbst zuschreiben.

Über die Hintergründe des Verteidigerwechsels von Reinhard Birkenstock zu Johann Schwenn verlor niemand ein Wort. Auffallend war, dass Kachelmanns Anwalt in Pressesachen, Ralf Höcker, zum ersten Mal seit langer Zeit wieder in Erscheinung trat. Er darf, auf Antrag Schwenns, auch in nichtöffentlicher Sitzung im Saal bleiben, um eine "sachgerechte Medienberatung" des Angeklagten zu gewährleisten.

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