Kachelmann-Prozess: "Suggestivfragen über Sex":Neuer Anwalt attackiert die Richter

Im Prozess gegen Jörg Kachelmann ist der neue Verteidiger Johann Schwenn zum ersten Mal aufgetreten. Er wurde seinem Ruf als aggressiver Promi-Anwalt gerecht, kritisierte die Fragetechnik des Gerichts und die Rolle der Medien.

Er gilt als Spezialist für schwierige Fälle, als smarter VIP-Anwalt, der seine prominenten Mandanten mit forschem Auftreten und aggressiver Strategie verteidigt. Johann Schwenn, der neue Anwalt von Jörg Kachelmann, hat schon mehrere Freisprüche für angebliche Vergewaltigungstäter erreicht.

Kachelmann-Prozess - Anwalt Schwenn

Scharfer Promi-Anwalt statt "Schmusekurs": Der neue Verteidiger Johann Schwenn soll im Kachelmann-Prozess eine neue, aggressivere Strategie fahren. Sein Vorgänger Reinhard Birkenstock war Kachelmann offenbar zu defensiv. 

(Foto: dpa)

Am ersten Prozesstag nach zweiwöchiger Pause wird der neue Anwalt seinem Ruf gerecht und beginnt mit einer scharfen Medienschelte. Er kritisiert eine "prozessbegleitende Berichterstattung besonderer Art" in bestimmten Medien und nannte dabei speziell die Illustrierte Bunte. Schwenn beantragt, Kachelmanns Medienanwalt Ralf Höcker auch in den nichtöffentlichen Verhandlungen zuzulassen. Dies sei erforderlich, um die Persönlichkeitsrechte Kachelmanns zu wahren. Höcker solle mithören und prüfen, "ob und wann es sich empfiehlt, gegen dieses Burda-Blatt vorzugehen".

Eine Kostprobe seiner aggressiven Verteidigungsstrategie gab Schwenn direkt danach. Er ließ eine Zeugenvernehmung unterbrechen und kritisierte die Fragetechnik mehrerer Richter. Anlass war die Befragung einer Freundin Kachelmanns, die am Mittwoch in nichtöffentlicher Sitzung vernommen wurde. Die 40-Jährige hatte offenbar ausgesagt, sie habe stets einvernehmlichen Sex mit Kachelmann gehabt. Der beisitzende Richter befragte die Zeugin dann, ob sie bestimmte sexuelle Handlungen tun "musste" oder "sollte". Schwenn sah das als Suggestivfrage und beantragte eine Unterbrechung der Zeugenvernehmung.

Der renommierte Hamburger Anwalt Schwenn, auf dessen Mandantenliste sich so prominente Namen wie der einstige RAF-Terrorist Peter-Jürgen Boock, Ex-Radprofi Jan Ullrich sowie Ex-Stasi-Mann Markus Wolf finden, hatte am Montag völlig überraschend den bisherigen Hauptverteidiger Reinhard Birkenstock abgelöst. Auch der zweite Wahlverteidiger, Klaus Schroth, wurde von seinem Mandat entbunden.

Warum Kachelmann sich von den beiden Anwälten getrennt hat, ist bisher nicht klar. Gerüchten zufolge soll Kachelmann mit der bisherigen Verteidigungsstrategie nicht mehr einverstanden gewesen sein. Birkenstock will sich "aus berufsrechtlichen und prozessualen Gründen", wie er mitteilt, nicht dazu äußern. Und Schroth, der für Kachelmann im Juli die Entlassung aus der Untersuchungshaft erreicht hatte, sagte nur, dass er zwar sehr überrascht gewesen sei, aber keinen Grund habe, auf Kachelmann böse zu sein. Er habe per E-Mail von dem Mandatsentzug erfahren: "Er hat mir für meine Arbeit gedankt und hat gesagt, dass er einen neuen Verteidiger hat."

Der neue Anwalt hatte sich in den vergangenen Wochen bereits ausführlich zum Kachelmann-Prozess geäußert. Im Magazin Cicero griff er die Prozessverantwortlichen scharf an: Den Richtern warf er "Verneigung vor der Unvernunft" vor, und die Staatsanwaltschaft betreibe ein "bloßstellendes und dilettantisches Herumermitteln", das am Ende sogar zu Schadensersatzansprüchen von Kachelmann gegenüber dem Land Baden-Württemberg führen könne.

Der Anwalt Thomas Franz, der das mutmaßliche Vergewaltigungsopfer Claudia D. als Nebenklägerin vertritt, sieht den plötzlichen Anwaltswechsel als Rettungsversuch Kachelmanns: "Vielleicht schätzt der Angeklagte seine Situation realistischer ein als sie seine Verteidiger bisher darstellten."

Zur Vermutung, Kachelmann verlange von seinen Anwälten im Prozess eine härtere Gangart gegenüber Staatsanwaltschaft und Gericht, sagte Franz: "Ich hatte nicht den Eindruck, dass Birkenstock bisher einen Schmusekurs gefahren ist, weder in öffentlicher noch in nichtöffentlicher Verhandlung."

Auf dem Vernehmungsplan steht heute auch noch die Befragung einer weiteren Ex-Freundin des Schweizer Wettermoderators. Hierzu wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen, genau wie bei den Zeugenaussagen der anderen Kachelmann-Geliebten.

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